Cannabis-Gesetz auf der Zielgeraden: Union fordert Veto von Ampel-Koalitionären
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Die Abstimmung über das umstrittene Cannabis-Gesetz steht kurz bevor. Die Union appelliert an die Ampel-Koalitionäre, dagegen zu votieren. Auch der Richterbund macht Stimmung gegen die Pläne und warnt vor einer Überlastung der Justiz. Gesundheitsminister Lauterbach gibt sich seinerseits zuversichtlich.

An diesem Freitag soll der Bundestag die kontrollierte Freigabe von Cannabis mit zahlreichen Regeln beschließen. Besitz und Eigenanbau bestimmter Mengen sollen damit für Volljährige von April an erlaubt sein. Zum 1. Juli sollen Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau möglich werden. Der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der "Rheinischen Post": "Ich appelliere an die Kolleginnen und Kollegen der Ampel. Stimmen Sie am Freitag gegen dieses Gesetz. Stoppen Sie dieses verantwortungslose Projekt."

Sorge sagte, die Koalitionäre müssten auf die Warnungen der eigenen Fachpolitikerinnen und -politiker hören. Die aktuelle Situation sei zwar problematisch. "Ein völlig untaugliches und hochgradig gefährliches Gesetz kann aber nicht die Antwort sein." Für einen neuen Anlauf, der die Kritik der etablierten Experten aufgreife, stünde die Union aber bereit. Auch aus der mitregierenden SPD wurden weiter Einwände laut. Mehrere SPD-Abgeordnete haben bereits angekündigt, gegen den Gesetzentwurf stimmen zu wollen.

Derweil warnte der Deutsche Richterbund erneut vor einer massiven Überlastung der Justiz durch die im Gesetz vorgesehene Amnestie-Regelung. "Die Justiz rechnet bundesweit mit mehr als 100.000 Akten, die im Falle des geplanten rückwirkenden Straferlasses bei Cannabis-Delikten nochmals zu überprüfen sind", sagte der Bundesgeschäftsführer des Richterbunds, Sven Rebehn gegenüber der Presse. Allein beim Amtsgericht Köln seien es mehr als 10.000 Fälle. "Die dort zuständigen fünf Richter gehen von einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von mindestens einer Stunde pro Fall aus, sodass die Prüfung bei 2.000 Fällen pro Kopf und 40 Wochenstunden rechnerisch 50 Wochen oder ein Jahr bräuchte", sagte Rebehn.

Für die Staatsanwaltschaften bedeute das Cannabisgesetz konkret, "dass sie alle Strafakten mit Bezug zum Betäubungsmittelgesetz nochmals händisch daraufhin auswerten müssen, ob die betroffenen Sachverhalte nach der neuen Rechtslage straflos wären", sagte Rebehn. Auch auf die Gerichte komme deshalb eine enorme Zusatzbelastung zu. Nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es auch eine Amnestie von Verurteilungen für Fälle geben, die künftig erlaubt sind.

Dagegen hatte die Neue Rich­ter­ver­ei­ni­gung 2023 die geplante Legalisierung begrüßt und gefordert, den Be­sitz von Can­na­bis zum Ei­gen­kon­sum schon vor dem Gesetz straf­frei zu stel­len. Eine Kri­mi­na­li­sie­rung sei nicht mehr zu recht­fer­ti­gen. 

Cannabis Social Clubs rechnen mit Boom an Neugründungen

Der Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs rechnet nach einer Cannabis-Legalisierung mit einem wahren Boom neuer Clubs. "Ich gehe davon aus, dass wir binnen Jahresfrist in Deutschland 3.000 oder sogar 4.000 Clubs haben werden", sagte der Vorsitzende des Verbandes, Steffen Geyer. Derzeit gebe es bereits rund 300 bis 350 Gruppen, die in der Gründungsphase für einen Club seien oder jetzt nur noch darauf warteten, dass das Gesetz endlich in Kraft trete.

Erlaubt werden sollen laut Gesetzentwurf "Anbauvereinigungen". Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Die Bundesregierung geht in ihrem Gesetzentwurf davon aus, dass es im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten 1.000 Anbauvereinigungen geben werde und in den Folgejahren jeweils ein Plus von 500 dieser Vereine. Diese Schätzung wurde auch von den Bundesländern als zu niedrig bezeichnet.

Künftig erlaubt werden soll für Erwachsene ab 18 Jahren grundsätzlich der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen legal werden und einer Änderung zufolge bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum. Der öffentliche Konsum soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes soll es eine erste Bewertung unter anderem dazu vorliegen, wie es sich auf den Kinder- und Jugendschutz auswirkt.

Lauterbach gibt sich zuversichtlich

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet seinerseits mit einer Zustimmung zum Vorhaben. "Das ist eine wichtige Verbesserung in unserer Drogenpolitik", sagte der SPD-Politiker. "Mit diesem Gesetz werden wir es erreichen, dass wir den Schwarzmarkt deutlich zurückdrängen werden, dass wir Kinder und Jugendliche besser schützen und dass wir für die Konsumenten, die konsumieren und älter sind, ein sicheres Produkt haben." Die jetzige Politik sei gescheitert, da es immer mehr Konsumenten gebe, auch bei Jugendlichen.

Nach der Abstimmung im Bundestag kommt das Gesetz abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es dort aber nicht. Lauterbach sagte: "Ich rechne daher damit, dass das Gesetz so durchgeht, wie wir es jetzt über die Monate hinweg entwickelt haben." Prinzipiell könnten die Länderkammer zu dem Gesetz mit einer erforderlichen Mehrheit den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfahren so abbremsen.

Redaktion beck-aktuell, ak, 22. Februar 2024 (dpa).