Die staatlichen Gas- und Strompreisbremsen bleiben über den Jahreswechsel hinaus erhalten. Der Bundestag beschloss am späten Donnerstagabend, die zum Jahresende auslaufende Regelung bis zum 31.03.2024 zu verlängern. Der ursprünglich vorgesehenen Verlängerung bis Ende April erteilten die Abgeordneten allerdings eine Absage. Die Signale der EU-Kommission, die dem Vorhaben ihre Zustimmung erteilen muss, ließen nur eine Verlängerung bis Ende März zu, heißt es in der Beschlussempfehlung aus dem Energieausschuss des Bundestags.
Die Preisbremsen für Strom und Gas waren im März dieses Jahres eingeführt und rückwirkend auch für Januar und Februar gewährt worden. Dadurch sollten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland davor bewahrt werden, dass sie infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine durch explodierende Energiepreise finanziell überfordert werden. Die Preise wurden dabei für einen Großteil des Verbrauchs von Privathaushalten gedeckelt - für Strom bei 40 Cent und für Gas bei 12 Cent je Kilowattstunde. Die Lage auf den Energiemärkten habe sich zwar mittlerweile stabilisiert, aber die Fortführung der Preisbremsen sei "eine Versicherung gegen unerwartete Risiken", heißt es in der Verordnung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Wärmeplanungsgesetz verabschiedet
Kommunen müssen künftig sogenannte Wärmepläne aufstellen. Der Bundestag beschloss am Freitag mit den Stimmen der Ampel-Parteien gegen die Opposition ein entsprechendes Gesetz. Es steht im Zusammenhang mit dem vieldiskutierten Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Koalition, auch Heizungsgesetz genannt: Erst wenn eine Kommune einen Wärmeplan hat, müssen Hauseigentümer beim Einbau einer neuen Heizung darauf achten, dass diese mit mindestens 65% erneuerbaren Energien betrieben wird. Politisches Ziel ist es, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, also nicht mehr Treibhausgase ausstößt als auch wieder gebunden werden können.
Das Wärmeplanungsgesetz sieht vor, dass Städte und Gemeinden in den kommenden Jahren Karten und Pläne erstellen, die deutlich machen, welche Gebiete bei ihnen künftig an zentrale Heizungsnetze angeschlossen werden könnten - mit Wärmeversorgung etwa von Erdwärme-, Wasserstoff-, Biomassekraftwerken oder durch Abwärme aus der Industrie. Die Pläne sollen aufzeigen, wo in einer Kommune Heizungsnetze für klimafreundliche Wärme vorhanden sind, wo diese noch gebaut werden könnten und wo das nur schwer umsetzbar ist und Gebäude weiterhin die eigene Heizung brauchen werden. Hausbesitzer können dann entsprechend planen. Großstädte sollen dem Gesetz zufolge bis zum 30. Juni 2026 einen Wärmeplan erstellen, kleinere Städte haben zwei Jahre länger Zeit.
Audioaufnahmen von Strafverfahren
Hauptverhandlungen vor Strafgerichten sollen künftig per Audioaufnahme aufgezeichnet werden. Aus der Tonspur soll dann per Software ein Transkript erstellt werden. Das hat der Bundestag am Freitag in Berlin mit den Stimmen der drei Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP sowie der Linken beschlossen. Die CDU/CSU stimmte gegen die Reform, die AFD enthielt sich. Die Neuerungen sollen bundesweit bis 2030 eingeführt werden.
Ausnahmen von Aufzeichnungen sollen möglich bleiben - etwa bei Sexualstraftaten oder wenn Kinder vor Gericht auftreten. Länder, die das wollen, sollen zudem die Möglichkeit zur Videoaufzeichnung bekommen. Mehrere Abgeordnete betonten, mit der Reform würden Beteiligte an Gerichtsverfahren entlastet, weil sie sich stärker auf das Geschehen konzentrieren könnten als auf die Anfertigung umfangreicher Notizen.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach von einer neuen Qualität des Strafverfahrens. "Die Verfahrensbeteiligten müssen sich nicht länger auf ihre Notizen und ihr Gedächtnis verlassen." Der Deutsche Richterbund wies auf Probleme bei der Umsetzung hin. "Die Ampel-Koalition beschließt heute zwar formal weitere Schritte zur Digitalisierung der Ziviljustiz, sie tut aber viel zu wenig für die praktische Umsetzung", bemängelte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. "In zahlreichen Gerichten fehlt es weiterhin an leistungsfähiger Technik und IT-Support, um Videoverhandlungen noch weitaus häufiger einsetzen zu können."
Mehr Geld für Staatsdiener und Neuregelungen für den BND
Außerdem wird der im Frühjahr vereinbarte Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst rückwirkend auf Bundesbeamte, Richterinnen, Soldaten und Pensionäre übertragen. Diese übliche Vorgehensweise wurde formal vom Bundestag beschlossen. Die Tarifvereinbarung beinhaltet eine Inflationsprämie in Höhe von 3.000 Euro, die auch an den Bundeskanzler und seine Minister fließt - deren Amtsgehalt ist nämlich automatisch an die Beamtenbesoldung gekoppelt. Beobachter gehen allerdings davon aus, dass die Inflationsprämie von vielen Ministern für einen guten Zweck gespendet wird. Scholz hatte dies bereits vor Monaten in Aussicht gestellt.
Eine ebenfalls verabschiedete Reform des BND-Gesetzes hat zum Ziel, dass sich der Bundesnachrichtendienst (BND) besser gegen Spionage aus den eigenen Reihen absichern kann. In der Reform sind unter anderem verdachtsunabhängige Personen-, Taschen- und Fahrzeugkontrollen bei Mitarbeitern des Auslandsgeheimdienstes vorgesehen. Im vergangenen Dezember war in Berlin ein BND-Mitarbeiter unter Spionage-Verdacht festgenommen worden. Er soll nach dem russischen Angriff auf die Ukraine Informationen aus seinem Arbeitsumfeld an Moskau weitergegeben haben.
Außerdem beschränkte der Bundestag die Datenweitergabe der deutschen Nachrichtendienste an Polizei und Staatsanwaltschaft. Damit kommen die Abgeordneten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nach. Die Karlsruher Richter hatten im vergangenen Jahr entschieden, dass die bisherigen Übermittlungsbefugnisse zu weit gehen und gegen die Rechte der Betroffenen verstoßen. Dem BND, dem Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) ist die Weitergabe von Daten und Informationen künftig nur noch unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt - etwa wenn es um besonders schwere Straftaten geht. Ohne eine Neuregelung hätte die Weitergabe solcher Daten zum Jahresende komplett eingestellt werden müssen.
Anforderungen an Spätaussiedler wieder gesenkt - Neue sichere Herkunfsländer
Der Bundestag hat weiter eine Reform des Vertriebenengesetzes verabschiedet, die Spätaussiedlern die Anerkennung in Deutschland wieder erleichtern soll. Durch die mit großer Mehrheit gebilligte Gesetzesänderung sollen die zwischenzeitlich verschärften Anforderungen an das Bekenntnis zum deutschen Volkstum wieder gesenkt werden. Damit werde die Aufnahmepraxis an die Lebensumstände der Menschen angepasst, sagte die Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD).
Schließlich hat der Bundestag Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten eingestuft. Wenn sich der Bundesrat dem Parlamentsbeschluss vom Donnerstag anschließt, können Asylbewerber aus den beiden osteuropäischen Ländern künftig einfacher abgewiesen werden. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh sprach in der abschließenden Plenardebatte von einem wirksamen und legitimen Mittel, um irreguläre Migration zu reduzieren.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geht davon aus, dass Rückkehrern in Georgien und Moldau in der Regel weder Verfolgung noch unmenschliche Behandlung droht. Die Anerkennungsquote von Asylbewerbern aus den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken lag im ersten Halbjahr unter 0,1%. Künftig sollen ihre Asylanträge deshalb in einem beschleunigten Verfahren bearbeitet und die Betroffenen im Fall einer Ablehnung zügig abgeschoben werden.
Außerdem hat der Bundestag auch das Wachstumschancengesetz beschlossen.