Familie soll ihr Haus nach Behördenfehler abreißen: Jetzt verhandelt der BGH
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Weil es einen Fehler bei der Zwangsversteigerung gab, soll eine Familie aus Ragsdorf ihr Haus abreißen und das Grundstück an den eigentlichen Eigentümer herausgeben, entschied das OLG Brandenburg. Nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde verhandelt am Freitag der BGH.

Der Fall hat medial für viel Aufsehen gesorgt: Ein Ehepaar mit zwei Kindern hatte 2010 bei einer Zwangsversteigerung am AG Luckenwalde den Zuschlag für ein Baugrundstück südlich von Berlin bekommen. Das Grundstück war versteigert worden, weil der Eigentümer Schulden bei der Stadt Freiburg hatte und angeblich nicht erreichbar war. Auf dem Grundstück errichtete die Familie daraufhin ihr Eigenheim und nahm dafür einen Kredit auf, der mit einer Grundschuld in Höhe von 280.000 Euro abgesichert war. Die Eheleute wurden als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen und bezogen ihr neues Zuhause.

Nur ein Jahr später meldete sich jedoch der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks. Der Amerikaner hatte das Bauland 1993 von seiner Großtante geerbt, die aus der DDR geflüchtet war und das Grundstück zurückgelassen hatte. Er war auch als Eigentümer im Grundbuch eingetragen gewesen. Von der Zwangsversteigerung hatte der mittlerweile in der Schweiz lebende Mann nichts mitbekommen. Weder das Landratsamt noch das Grundbuchamt hatten seine Anschrift ermittelt, sondern auf öffentliche Zustellung zurückgegriffen. Allerdings gelang es ein Jahr später einem Winterdienst-Unternehmen, die Frau des Amerikaners ausfindig zu machen. Auf diesem Wege erfuhr der Erbe schließlich von der Zwangsversteigerung und versuchte von da an, das Grundstück zurückzubekommen.

Finanzamt kannte die Adresse

Der Erbe des Grundstücks schaffte es auch, dass der Zuschlagsbeschluss 2014 vom LG Potsdam rechtskräftig aufgehoben wurde. Denn: Die Zwangsversteigerung war fehlerhaft durchgeführt worden. Das AG Luckenwalde hatte es versäumt, nach dem Erben in ausreichendem Maße zu suchen, obwohl das nach § 1964 BGB seine Pflicht gewesen wäre. Die Anschrift des Mannes hätte durchaus ermittelt werden können, denn eine deutsche Behörde kannte sie: das Finanzamt. Dort hatte der Mann brav seine Grundsteuer bezahlt und sich somit ordnungsgemäß um den Grundbesitz gekümmert. Daher war die Zwangsversteigerung nicht rechtens und der Erbe weiterhin Eigentümer des Grundstücks.

Vor dem LG verlangte er neben der Berichtigung des Grundbuchs auch die Herausgabe des Grundstücks und die Beseitigung des darauf erbauten Hauses. Das LG war diesbezüglich jedoch auf Seiten der Familie und wies die Klage teilweise ab. Insbesondere sei die Geltendmachung eines Herausgabeanspruches im Sinne von § 242 BGB mit Treu und Glauben und Rücksicht auf die Verkehrssitte nicht vereinbar. Während die Familie im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Zuschlagsbeschlusses ihren Lebensmittelpunkt auf dem Grundstück errichtet habe, habe der Erbe, der mit seiner Familie in der Schweiz lebe, über die Jahre keinerlei Verwertungsinteresse an dem Grundstück gezeigt.

OLG: Kein Verstoß gegen Treu und Glauben

Das OLG Brandenburg sah das auf die Berufung des Eigentümers jedoch ganz anders. Aus seiner Sicht verstieß das Begehren des Mannes keineswegs gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Zwar seien die Auswirkungen für die Beklagten und ihre Familie gravierend. Ihre nunmehr vergeblichen Aufwendungen für das Haus könnten aber nicht losgelöst von möglichen Ersatzansprüchen aus Amts- oder Staatshaftung betrachtet werden, so das OLG damals. Das Land habe der Familie bereits eine Entschädigung in Aussicht gestellt.

Die Familie stütze sich einzig auf das Vertrauen in den staatlichen Akt des Zuschlags. Ein Verhalten des Erben jedoch, das geeignet gewesen wäre, ihr Vertrauen hervorzurufen oder zu befördern, sei nicht ersichtlich. Der Erbe habe sich also gerade nicht entgegen Treu und Glauben verhalten. Er sei der Eigentümer und habe gegenüber der Familie einen Herausgabeanspruch, denn diese habe kein Recht zum Besitz. Nicht einmal die Revision wollte das OLG zulassen, nach einer erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerde wird nun aber doch der BGH entscheiden (Beschluss vom 20.06.2024 - V ZR 153/23). Die Verhandlung findet am Freitag statt.

Familie müsste Nutzungsersatz zahlen

Für die Familie steht einiges auf dem Spiel. Nicht nur müsste sie im Fall einer erfolglosen Revision ihr Haus abreißen und eine neue Bleibe finden. Sie müsste auch die dann unrechtmäßige Grundschuld löschen lassen und dem eigentlichen Eigentümer darüber hinaus Nutzungsersatz in Höhe von 6.000 Euro zahlen.

Bei der Revision stellt sie insbesondere die Eigentümerstellung des Erben infrage und macht außerdem ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen mit dem Hausbau getätigten Verwendungen geltend. Ein Urteil ist am Freitag noch nicht zu erwarten.

Redaktion beck-aktuell, dd, 16. Januar 2025.