Wie bereits die früheren Seefahrer lässt sich auch der moderne Verbraucher gerne von den Sternen leiten. Wo sie aber früher dazu dienten, die Himmelsrichtung zu bestimmen und eine sichere Route auf See zu finden, benötigt man sie heute für Kaufentscheidungen. Mit den bekannten Bewertungsskalen von – in der Regel – fünf Sternen werben zahlreiche Online-Shops. Zudem gibt es Webseiten, deren Geschäftsmodell allein darauf basiert, die Bewertung von Produkten oder Anbietern zu ermöglichen. Die Werbung mit Bewertungen hat der Gesetzgeber in der Richtlinie zur besseren Durchsetzung von Verbraucherschutzvorschriften (Omnibus-RL 2019/2161) und in § 5b Abs. 3 UWG zumindest zum Teil reglementiert. Den Gerichten wird die intensive Auseinandersetzung mit dieser Form der Sterndeutung dadurch dennoch nicht erspart.
Aktuelle Rechtsprechung zu Bewertungen
Bisher haben die Gerichte sich vor allem mit schlechten Bewertungen befasst (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urt. v. 31.8.2022 – 4 U 17/22; OLG Dresden, Beschl. v. 22.7.2020 – 4 U 652/20; OLG Köln, Teilurt. v. 23.12.2022 – 6 U 83/22). Hier muss über die Rechtmäßigkeit des Inhalts der jeweiligen Bewertung entschieden werden. Außerdem ist zu klären, ob eine Bewertung, die nur teilweise rechtswidrig ist, komplett gelöscht werden darf, ohne dass die vergebenen Sterne noch in die durchschnittliche Bewertung einfließen.
Daneben beschäftigte Gerichte etwa auch, ob ein verpflichtendes Schlichtungsverfahren für schlechte Bewertungen dazu führt, dass Bewertungen im Schnitt zu positiv ausfallen und damit in die Irre führen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.2.2013 – I-20 U 55/12). Das OLG Frankfurt a.M. hat sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob mit Bewertungen geworben werden darf, für die die Bewertenden eine Entlohnung erhalten haben (Antwort: ja, wenn darüber transparent aufgeklärt wird, Urt. v. 9.6.2022 – 6 U 232/21). Das LG Hildesheim (Urt. v. 28.12.2021 – 11 O 12/21) ging zuvor davon aus, dass Rezensionen, die mit einem 50-Euro-Gutschein erkauft wurden, nicht mehr die nötige Neutralität aufweisen. Werbetreibende müssten dann aktiv auf die Incentivierung hinweisen.
Einige Aufmerksamkeit hat zuletzt auch die Entscheidung des OLG Hamburg zum Arbeitgeber-Bewertungsportal "kununu" erlangt (Beschl. v. 08.02.2024 – 7 W 11/24). Mit dieser Entscheidung wurde dem Bewertungsportal aufgegeben, die Identität des Bewertenden zu offenbaren, um dem Arbeitgeber die Überprüfung der Echtheit der Bewertung zu ermöglichen. Dies ist nicht nur mit den von der Plattform aufgestellten Grundsätzen nicht vereinbar, die eine anonyme Bewertung erlauben, sondern stößt auch datenschutzrechtlich auf Bedenken. Schließlich sind Plattformbetreiber nach § 19 Abs. 2 TTDSG sogar dazu verpflichtet, die Nutzung ihrer Dienste grundsätzlich auch anonym zu ermöglichen. Das letzte Wort dürfte hier noch nicht gesprochen sein.
BGH entscheidet zu Transparenzanforderungen bei Werbung mit Sternebewertung
Am Donnerstag, 27. Juni 2024 darf sich der I. Zivilsenat des BGH nun mit folgendem Sachverhalt auseinandersetzen (I ZR 143/23):
Eine Plattform vermittelt Immobilienverkäufer an Immobilienmakler. Zu diesem Zweck wirbt sie auf ihrer Webseite unter anderem mit einer durchschnittlichen Sternebewertung von 4,7 von 5 möglichen Sternen, ohne weitere Infos über die Zusammensetzung dieses Durchschnittswerts anzugeben. Diese wohl überdurchschnittliche Bewertung rief die Wettbewerbszentrale auf den Plan. Nach erfolgloser Abmahnung klagte sie auf Unterlassung. Aus ihrer Sicht sei die konkrete Werbung mit der durchschnittlichen Sternebewertung unlauter, weil Verbrauchern wesentliche Informationen vorenthalten würden (§ 5a Abs. 1 UWG). Zudem beklagt sie die Verwendung des Claims "Bekannt aus: Die Welt, ONLINE FOCUS, Frankfurter Allgemeine, N24, Der Tagesspiegel" ohne entsprechende Angabe von Quellen.
Das LG Hamburg (50 Google-Rezensionen mit durchschnittlich 3,2 Sternen) folgte dieser Argumentation nur teilweise: Sie verpflichtete die Plattform zwar, zukünftig nur unter Angabe der Gesamtzahl der angegebenen Kundenbewertungen sowie des relevanten Zeitraums mit einer Sternebewertung zu werben. Eine Pflicht zur genauen Aufschlüsselung der Bewertung nach Anzahl der Ein- bis Fünf-Sterne-Bewertungen sah es aber nicht. Ebenso wenig müsse die Plattform die Quellen ihres "Bekannt-aus:"-Claims belegen.
Das daraufhin von der Wettbewerbszentrale angerufene OLG Hamburg (26 Google-Rezensionen mit durchschnittlich 4,0 Sternen) änderte den Urteilsspruch teilweise ab: Wer mit konkreten Nennungen in redaktionellen Medien werbe, müsse die Fundstellen auch belegen. Eine Pflicht zur Aufschlüsselung der Sternebewertungen sah aber auch das OLG nicht und bestätigte insoweit die Entscheidung des LG. Die Wettbewerbszentrale greift diese Rechtsauffassung nun in der Revision vor dem BGH an.
Gesamtwertung muss irreführend sein
Ausgehend davon, dass Bewertungen bei der Kaufentscheidung von Verbraucherinnen und Verbrauchern eine wichtige Rolle spielen, ist es nachzuvollziehen, wenn von den Plattformbetreibern detaillierte Informationen über das Zustandekommen der Bewertungsergebnisse verlangt werden. Ob eine Aufschlüsselung nach der Anzahl der Ein- bis Fünf-Sterne-Bewertungen verlangt werden kann, darf allerdings bezweifelt werden.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher stellt es zwar einen gewissen Mehrwert dar, zu wissen, ob die Bewertungen durchgängig mittelmäßig oder sehr sprunghaft waren. Dies allein macht die bloße Darstellung des Gesamtergebnisses allerdings noch nicht angreifbar. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch das Gesamtergebnis ohne weitere Aufschlüsselung tatsächlich in die Irre geführt werden. Dem kann leicht mit dem Argument begegnet werden, dass Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, dass bei einer Durchschnittsbewertung im Einzelfall auch erhebliche Abweichungen nach oben oder unten möglich – aber eben auch nicht zwingend – sind.
BGH sollte das richtige Maß finden
Wie auch immer dieser Krieg der Sterne enden mag: Wer als Werbetreibender auf die faszinierende Kraft von Bewertungssystemen setzt, muss auf der Hut sein. Nicht nur die Darstellung der Ergebnisse sollte genau durchdacht sein; auch das zugrundeliegende Bewertungssystem muss in sich schlüssig sein.
Eine besondere Herausforderung wird insoweit die immer relevantere Werbung mit Bewertungen darstellen, die von Dritten bereitgestellt werden. Dies gilt insbesondere, wenn diese Bewertungen mit selbst erhobenen Bewertungen kombiniert bzw. vermischt werden sollen. Auch die Anforderungen an die Echtheit und Objektivität von Bewertungen wird künftig angesichts der vielfältigen Geschäftsmodelle rund um Bewertungen sicherlich noch stärker in den Fokus rücken. Welche Pflichten den Plattformanbieter insoweit abverlangen werden, steht allerdings noch in den Sternen. Es bleibt zu hoffen, dass hier – wie auch in dem nunmehr zu verhandelndem Fall – das richtige Maß gefunden wird: Denn wenn zu hohe Anforderungen gestellt werden, kann dies den Effekt haben, dass seltener mit Bewertungen geworben wird. Ohne Rezensionen geht aber auch die Orientierungswirkung für Verbraucherinnen und Verbraucher verloren.
Thorsten Hemme ist Rechtsanwalt bei CMS Deutschland und Experte für Digital Business. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit gehört die Gestaltung von Verträgen im Digitalbereich. Er berät führende Anbieter von Online-Plattformen zudem bei der rechtlichen Umsetzung von Geschäftsmodellen.