Amazon muss bezahlte Kundenbewertungen kenntlich machen
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© Jennifer Weese / dpa

Das Bewertungssystem der Verkaufsplattform Amazon enthält nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main "unlautere getarnte Werbung". Onlinehändler seien verpflichtet, diejenigen Bewertungen für ein Produkt, für die ein Entgelt bezahlt wurde, kenntlich zu machen. Der entgeltliche Verkauf von Rezensionen sei zwar nicht verboten, müsse aber für Kundinnen und Kunden erkennbar sein, so das Gericht und bestätigte damit die vorinstanzliche Unterlassungsverpflichtung.

Amazon vermittelt Kundenrezensionen gegen Entgelt

Auf Amazon werden Produkte mit einem Gesamtsterne-Bewertungssystem bewertet. Amazon vermittelt seinen Verkaufspartnern im Rahmen des sogenannten "Early Reviewer Programms" (ERP) auch Kundenrezensionen gegen Entgelt. Dabei handelt es sich um Bewertungen ausländischer Rezensenten gegen Entgelt oder Gutscheine für Produkte, die zuvor auf dem US-, UK- oder Japan-Marketplace gekauft wurden. Diese Bewertungen werden auch deutschen Käuferinnen und Käufern angezeigt und fließen in das Gesamtbewertungsergebnis ein. Die Klägerin, ein Unternehmen, das im Internet die entgeltliche Vermittlung von Kundenrezensionen für Händler auf Online-Verkaufsplattformen anbietet, wendet sich gegen dieses Vorgehen, sofern die ERP-Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden und nicht darauf hingewiesen wird, dass sie bezahlt wurden und wie viele dieser Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.

"Unlautere getarnte Werbung"

Die gegen die vom LG ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung gerichtete Berufung von Amazon hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Es liege eine unlautere getarnte Werbung vor, bestätigte das OLG. ERP-Rezensionen zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind, sei unlauter. Die Berücksichtigung dieser ERP-Rezensionen - und damit auch nicht ihr Anteil - würde von der Beklagten nicht kenntlich gemacht und ergebe sich auch nicht aus den Umständen. Ob Internetnutzer damit rechneten, dass in ein Gesamtbewertungsergebnis auch immer Rezensionen einflössen, die nicht sachlich begründet seien, könne offenbleiben. Dies dürfe jedenfalls "kein Freibrief dafür sein [...], beeinflusste Rezensionen zu verwenden", stellte das OLG klar.

Rezensenten "nicht frei von sachfremden Einflüssen"

Die Berücksichtigung von ERP-Rezensionen habe hier auch geschäftliche Relevanz. Die Rezensenten des ERP erhielten eine kleine Belohnung für die Abfassung der Rezension. "Daraus folgt zwangsläufig, dass sie bei Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen sind", betont das OLG. Es bestehe vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich veranlasst sehe, ein Produkt positiver zu bewerten als dies tatsächlich seiner Meinung entspreche, um weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 09.06.2022 - 6 U 232/21

Miriam Montag, 10. Juni 2022.