Besonders heftig fiel die Kritik an den Änderungsentwürfen zum Klimaschutzgesetz (BT-Drsn.: 20/8290; 20/8670) sowie an der Unterrichtung durch die Bundesregierung zum "Klimaschutzprogramm 2023 der Bundesregierung" (BT-Drs. 20/8150) seitens der Rechts-Sachverständigen aus. Der vorliegende Gesetzentwurf sei "verfassungsrechtlich ausgesprochen problematisch", sagte Roda Verheyen, Vorstand von Green Legal Impact und Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichts. "Keine Verschiebung von Reduktionslasten in die Zukunft und damit auf die nachfolgenden Generationen" - das sei die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts gewesen, doch genau das passiere mit der geplanten Novelle.
DUH-Geschäftsführer Müller-Kraenner zufolge sei das Gesetz "nicht ansatzweise mit der 1,5 Grad-Grenze kompatibel. Es gehe offenbar darum, "säumige Ministerien vor schlechter Presse zu schonen und Klimablockadepolitik in Schlüsselsektoren wie dem Verkehr in einer mehrjährigen Gesamtrechnung zu verstecken" so Müller-Kraenner.
Experten warnen vor einer Aufweichung der Sektorziele
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach sich dezidiert gegen eine Aufweichung der Sektorziele aus und plädierte für eine Beibehaltung der derzeitigen Methodik, die eine gezielte Anreizwirkung zur Senkung der Treibhausgasemissionen in den Sektoren habe. Die Verbandsvertreterin forderte, zur Vermeidung von Zielabweichungen die Verrechnung von Über- und Untererfüllungen nur bis zu einer bestimmten Grenze zuzulassen.
Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch warnten angesichts der nicht erreichten Ziele in den Sektoren Verkehr und Gebäude vor EU-Vertragsverletzungsverfahren und Strafzahlungen. Eine fehlende Strategie im Verkehrs- und Gebäudebereich wäre daher "grob fahrlässig".
Die Vertreter vom Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund sprachen sich dafür aus, am bestehenden Monitoring und Kontrollmechanismus sowie der Pflicht festzuhalten, innerhalb von drei Monaten ein Sofortprogramm zur Nachsteuerung vorzulegen. Bund und Länder müssten für eine langfristige und hinreichende Finanzausstattung der Kommunen sorgen.
Michael Pahle vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sieht die Steuerungsmechanismen "an den jeweils falschen Stellen". Jahresscharfe sektorale Emissionsminderungsziele und die Zuweisung von sektoraler ministerieller Verantwortlichkeit schafften eine Vielzahl von politischen Interventionspunkten - vor allem bei der Ausgestaltung der Sofortprogramme, die bisher das zentrale Instrument der Nachsteuerung seien. Es sei jedoch mehr als fraglich, ob dies auch zu höherer langfristiger Glaubwürdigkeit führe. "Denn Sofortprogramme schließen Lücken, die in der Regel überhaupt erst entstehen, weil die langfristigen und strukturellen Maßnahmen unzureichend sind", so Pahle. Bernd Weber, Gründer und Geschäftsführer des Energy and Climate Policy and Innovation Council warb für eine Verbindung von beidem: der sektorübergreifenden Betrachtung mit der vorausschauenden Planung.
Anfang September hatten nach zahlreichen Umweltverbänden auch mehr als 60 Juraprofessorinnen und -professoren der Bundesregierung in einem offenen Brief vorgeworfen, durch eine geplante Novelle das Klimaschutzgesetz abzuschwächen. Auch sie sehen völker- und verfassungsrechtliche Verpflichtungen in Gefahr.