"Israel beabsichtigt die Zerstörung unseres Volkes, es will die Auslöschung des palästinensischen Volkes", sagte der Botschafter der palästinensischen Gebiete, Ammar Hijazi, vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Er schilderte die Lage der Bevölkerung im Gazastreifen seit der Blockade der humanitären Hilfe am 2. März, die er als unerträglich bezeichnete. Israel setze humanitäre Hilfe als Waffe ein - das sei ein Kriegsverbrechen.
Der Botschafter sprach zum Auftakt einer Anhörung vor dem IGH zur rechtlichen Verpflichtung Israels, die dringend benötigte humanitäre Hilfe für palästinensische Bürger "sicherzustellen und zu erleichtern". Die UN-Generalversammlung hatte den IGH, das höchste UN-Gericht, mit einem Gutachten beauftragt.
Seit dem 2. März blockiert Israel die Lieferung von Waren und Hilfsgütern wie Medikamenten für die rund 2,1 Millionen Einwohner des Gazastreifens. Israel hatte erklärt, dass es keine Hilfsgüter zulässt, solange die militante palästinensische Organisation Hamas nicht alle israelischen Geiseln freilässt. Israel wirft der Hamas vor, sie habe sich Hilfsgüter mit Gewalt angeeignet und verkaufe diese zu hohen Preisen an die Zivilbevölkerung. Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023.
Gut 40 Staaten werden bei der auf fünf Tage angesetzten Anhörung ihre Stellungnahme abgeben. Israel nimmt nicht teil. Bis zur Veröffentlichung des Gutachtens können Monate vergehen.
UN sprechen von Rechtsverstoß
Die UN forderten von Israel den ungehinderten Zugang für Hilfsgüter für die Menschen im Gazastreifen. Die seit fast 60 Tagen andauernde totale Blockade von humanitärer Hilfe sei ein Verstoß gegen internationales Recht, sagte die Untergeneralsekretärin der UN, Elinor Hammarskjöld. "Israel ist verpflichtet, für die Bevölkerung zu sorgen und Hilfe zu ermöglichen." Auch mit Angriffen auf UN-Einrichtungen und -Mitarbeiter verletzte Israel internationales Recht.
Im Juli vergangenen Jahres hatte das Gericht bereits Israels Besatzung der palästinensischen Gebiete für illegal erklärt. Ein Rechtsgutachten des UN-Gerichts ist rechtlich nicht bindend, doch kann den internationalen Druck auf Israel weiter erhöhen.
Israel boykottiert Anhörung
Israels Außenminister Gideon Saar begründete den Boykott seines Landes. Er äußerte vor Journalisten in Jerusalem schwere Vorwürfe gegen die Vereinten Nationen und insbesondere das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA. Israel wirft der Organisation vor, von der islamistischen Hamas unterwandert zu sein. Nach seiner Darstellung beschäftigte das UNRWA mehr als 1.400 bekannte Terroristen, einige seien am Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen. Israel hat UNRWA ein Arbeitsverbot erteilt. Die Organisation setzt ihre Tätigkeit jedoch fort.
Der Gazastreifen erlebt nach UN-Angaben die wohl schwerste humanitäre Krise seit Beginn des Kriegs vor mehr als eineinhalb Jahren. Israel schloss Anfang März alle Grenzübergänge in den Gazastreifen für Hilfslieferungen. Damit will Israel nach eigenen Angaben den Druck auf die islamistische Hamas erhöhen, die entführten Geiseln freizulassen. Laut Saar war die humanitäre Hilfe zuletzt Haupteinnahmequelle der Hamas.
Saar sagte in Jerusalem, Israel habe "beschlossen, an diesem Zirkus nicht teilzunehmen". Es handele sich um "einen weiteren Versuch, den Rechtsweg zu politisieren und zu missbrauchen, um Israel zu verfolgen". Ziel sei es, "Israel seines grundlegendsten Rechts auf Selbstverteidigung zu berauben". Die Vereinten Nationen seien Israel gegenüber extrem voreingenommen, sagte Saar.
Der IGH hatte im Sommer 2024 ein Gutachten vorgelegt, wonach die israelische Besetzung palästinensischer Gebiete sowie die Siedlungspolitik Israels gegen internationales Recht verstoßen. Israel mache sich faktisch der Annektierung schuldig, heißt es darin.