Der 66-Jährige hatte die Abgeordnete Marie Kollenrott Ende Mai an einem Wahlkampfstand in der Göttinger Innenstadt angegriffen und verletzt. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass der ehemalige Inhaber eines Landschafts- und Gartenbetriebs Ende Mai mehrfach gegen den linken Oberarm der 39-Jährigen schlug. Zuvor soll er sie beleidigt haben. "Dreckspack, ihr Grünen", habe er in ihre Richtung gesagt. Als die Politikerin ihn zur Rede stellen wollte, habe er sie umgehend bedrängt, geschlagen und sich dann von ihr entfernt. Als er bemerkte, dass die Abgeordnete ihn verfolgte und Handy-Fotos von ihm machte, ging er erneut auf sie los, bis Menschen dazwischengingen.
Zwei Zeugen hatten das während des Prozesses bestätigt. Das Urteil lautete auf Körperverletzung in zwei Fällen sowie Beleidigung in einem Fall. Die Polizei nahm den Tatverdächtigen in Tatortnähe fest. Später wurde bekannt, dass er in der Vergangenheit bereits durch das Nutzen von Nazi-Symbolen aufgefallen ist und auch dafür verurteilt worden war.
Mann streitet Tat ab
Kollenrott erlitt nach eigenen Angaben Prellungen am linken Oberarm und Kratzspuren am rechten Unterarm, die teilweise noch zehn Tage nach der Tat schmerzten. Die Politikerin gab zudem an, dass sie in den Tagen nach der Tat Schwierigkeiten hatte zu schlafen, und dass die Tat sie bei künftigen Wahlkampfveranstaltungen vermutlich beschäftigen werde. Während des Prozesses wirkte sie angespannt und vermied direkten Blickkontakt mit dem Täter.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 1.800 Euro beantragt, zu bezahlen in Raten. Der Staatsanwalt hatte betont, dass die Attacke auch als ein Angriff auf die Demokratie zu werten sei. Diese dürfe es sich nicht gefallen lassen, dass Wahlkampfstände bald Polizeischutz bräuchten.
Der Angeklagte, der den Prozess größtenteils desinteressiert verfolgte, hatte die Tat zuvor abgestritten. Die Vorwürfe seien "einfach nur Quatsch", sagte der 66-Jährige am Montag vor dem AG Göttingen. Sollte er die Politikerin berührt haben, entschuldige er sich aber dafür. Er sagte zudem, er wolle auf einen DNA-Test warten. Dieser werde beweisen, dass er die Abgeordnete nicht berührt habe. Darüber hinaus wolle er den Medienrummel nicht mitmachen, sagte er in seiner Einlassung zu Prozessbeginn. Die Richterin sagte, dass ein DNA-Test keine Bedeutung für das Urteil habe, da die für den Prozess relevanten Schläge auf die Jeans-Jacke der Grünen-Politikerin trafen. Daher würde es sehr wahrscheinlich ohnehin keine verwertbaren Ergebnisse geben.
Nach dem Urteil zeigte sich die Politikerin erleichtert darüber, dass das Verfahren innerhalb eines Tages abgeschlossen wurde sowie über den Schuldspruch. Sie sei zudem froh, dass das Gericht die Tat in ihrer Gänze verurteilte. "Sowohl der Angriff auf mich als Frau, der Angriff auf die Demokratie und die rechtsextreme Tendenz des Täters wurden berücksichtigt", sagte Kollenrott. Sie hoffe, nach dem formalen Abschluss nun auch mental schnell einen Abschluss der Tat finden zu können. Kollenrott kündigte zudem an, das Schmerzensgeld an die Frauenberatung sowie das Antifaschistische Archiv in Göttingen spenden zu wollen.
Politiker sind immer wieder Opfer von Attacken. Das prominenteste Beispiel ist der hessische CDU-Politiker Walter Lübcke, der wegen seines Einsatzes für Geflüchtete ermordet wurde. Die Revision in diesem Fall wird Anfang Juli verhandelt. Zuletzt wurde Anfang Mai in Dresden SPD-Politiker Matthias Ecke von vier Jugendlichen krankenhausreif geschlagen, als er ein Wahlplakat aufhängen wollte. Der Angriff löste eine Diskussion um einen besseren Schutz für Politiker und Wahlhelfer aus.