Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Thesenpapier des TÜV-Verbands vom 13.11.2024
Nachdem die Wirtschaft bereits im September 2024 für die Nachhaltigkeitsberichte nochmals vehement einen offenen Prüfermarkt und damit die Abkehr von der „Lex Wirtschaftsprüfer“ gefordert hatte, ist diese Forderung nach dem bundespolitischen Ampel-Aus wiederum bekräftigt und mit einem Thesenpapier untermauert worden.
Praxis-Info!
Problemstellung
Im aktuellen, eigentlich kurz vor der Verabschiedung stehenden Gesetzentwurf für die Umsetzung der Europäischen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) sind bislang ausschließlich Wirtschaftsprüfer dafür vorgesehen, Nachhaltigkeitsberichte zu prüfen. Im September 2024 waren Befragungsergebnisse veröffentlicht worden, wonach 79% der Unternehmen technische Prüforganisationen mit der externen Prüfung ihres Nachhaltigkeitsberichts beauftragen würden. Ein insoweit geöffneter Prüfmarkt könne Aufwand und Kosten für den Mittelstand senken. Der TÜV-Verband hat sich nun nochmals für einen offenen Markt für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten in Deutschland eingesetzt (siehe auch schon den Bericht über den Appell im Vorjahr vom 23.9.2023 sowie den Bericht vom 24.9.2024). Da von der Neuregelung in Deutschland rund 15.000 überwiegend mittelständische Unternehmen direkt und eine vielfache Anzahl indirekt (weil direkt erfasste Unternehmen entsprechende Anforderungen in der Lieferkette weitergeben und Kapitalgeber solche Informationen zur Voraussetzung für Kreditvergaben erheben) betroffen sind, appelliert der TÜV-Verband an die Politik, dass wichtige Gesetzesvorhaben parteiübergreifend diskutiert und verabschiedet werden sollten.
Lösung
Nachdem der Termin für die vorgezogene Bundestagswahl nun feststeht, sollten aus Sicht des TÜV-Verbands jetzt wichtige laufende Regelungsvorhaben – trotz Wahlkampf – über Parteigrenzen hinweg auf den Weg gebracht werden. „Die Parteien sollten ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden und wichtige Gesetzesvorhaben im Bundestag verabschieden. Mit einer Blockade um der Blockade willen schaden die Parteien nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Demokratie und dem Vertrauen in unsere politischen Institutionen“, sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Das gelte vor allem für Regelungsvorhaben, in denen es um Fachthemen geht und die nicht den Kern der parteipolitischen Programme betreffen.
Handlungsbedarf sieht der TÜV-Verband insbesondere hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichte und fordert, das nationale CSRD-Umsetzungsgesetz zu verabschieden. Bekanntlich regelt das Gesetz für die nationale Umsetzung der CSRD, welche Unternehmen in Zukunft Nachhaltigkeitsberichte erstellen und welche unabhängigen externen Stellen diese dann – wie bei einem Jahresabschluss – prüfen dürfen. „Das nationale CSRD-Gesetz ist im parlamentarischen Verfahren weit fortgeschritten und könnte mit einer wichtigen Änderung schnell verabschiedet werden“, sagt Bühler. Er betont nochmals, dass eine breite Allianz aus Wirtschaftsverbänden, Unternehmen, Prüfungsorganisationen und Rechtsexperten fordert, neben Wirtschaftsprüfern auch technische Sachverständige für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte zuzulassen. Technische Prüforganisationen würden bereits seit Jahren Nachhaltigkeitsberichte prüfen, so betont Bühler, und sollten das auch in Zukunft tun dürfen. Die acht wichtigsten Gründe für einen offenen Prüfmarkt hat der TÜV-Verband in einem Thesenpapier zusammengefasst; die Thesen lauten:
- Kapazitäten ausschöpfen/von vorhandenen Strukturen profitieren: Unabhängige Prüforganisationen erfüllen in Deutschland sämtliche vorgesehenen EU-Anforderungen für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten.
- Kompetenzen nutzen: Unabhängige Prüfdienstleister bringen zusätzliche technische Expertise ein.
- Kosten senken: Unabhängige Prüforganisationen sorgen für Wettbewerb im Prüfermarkt.
- Wirtschaftspolitisch handeln: Unternehmen und Verbände wollen technische Prüforganisationen als Prüfer.
- Fokus auf „Big Four“ aufgeben: Kleine und mittlere Wirtschaftsprüfer fordern Marktöffnung.
- Internationale Wettbewerbsnachteile vermeiden: Vergleichbare Volkswirtschaften lassen unabhängige Prüfer zu.
- Politische Verzögerung verhindern: Bundesrat kritisiert deutschen Sonderweg.
- Rechtssicherheit schaffen: Europarechtliche Klage vermeiden.
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 12/2024
BC20241216