VW-Abgas-Skandal: LG Stuttgart verpflichtet Bosch zur Herausgabe von Akten

Im Verfahren von Kapitalanlegern gegen die Porsche Automobil Holding SE wegen des VW-Abgasskandals hat das Landgericht Stuttgart ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Robert Bosch GmbH verneint. Dieser drohe durch die Herausgabe von Akten kein Strafverfahren und kein unmittelbarer wirtschaftlicher Schaden. Illegale, wettbewerbswidrige Geheimnisse seien nicht geschützt, wenn ihre Offenbarung nicht in Rechtsgüter Unbeteiligter eingreife, sondern sich gegen den Gefahrverursacher, die Volkswagen AG, richte (Zwischenurteil vom 13.07.2018, Az.: 22 O 205/16 und 22 O 348/16, nicht rechtskräftig).

Sachverhalt

In zwei Streitverfahren von Kapitalanlegern gegen die Porsche Automobil Holding SE wegen Verletzung sogenannter Ad-hoc-Mitteilungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem sogenannten VW-Abgas-Skandal ordnete das Landgericht Stuttgart gegenüber der Drittbeteiligten Robert Bosch GmbH gemäß § 142 ZPO die Herausgabe von Unterlagen, insbesondere einer Reihe von E-Mails, an. Hiergegen wandte sich die Robert Bosch GmbH unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen gemäß § 384 ZPO. Das Landgericht Stuttgart hat durch den Einzelrichter diesen Zwischenstreit durch Zwischenurteil vom 13.07.2018 entschieden und den Einwand der Robert Bosch GmbH zurückgewiesen.

Bloßes Zulieferunternehmen durch keinen unmittelbaren Schaden bedroht

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO setze voraus, dass durch die Beantwortung der Frage ein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden verursacht wird. Nach Auffassung des Richters verursacht die Urkundenvorlage keinen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden bei der Robert Bosch GmbH. Die Robert Bosch GmbH sei als bloßes Zulieferunternehmen nicht für den Schutz von Kapitalanlegern ihrer Vertragspartner verantwortlich. Erst recht treffe sie eine solche Verantwortung nicht gegenüber Anlegern sonstiger Unternehmen wie der Porsche Automobil Holding SE, zu denen die Robert Bosch GmbH in keinerlei Geschäftsbeziehung stehe.

Keine drohende Unehre beziehunsweise drohendes Strafverfahren

§ 384 Nr. 2 ZPO begründe ein Zeugnisverweigerungsrecht (ergo: Herausgabeverweigerungsrecht) über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem Angehörigen zur Unehre gereichen oder der Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Auch diese Gefahr sieht der entscheidende Richter durch die Herausgabe der Unterlagen nicht als gegeben an. Durch die angeordnete Herausgabe der Unterlagen, die ein compliancegemäßes Verhalten bis Juni 2008 attestierten, setze sich die Robert Bosch GmbH gerade nicht der Gefahr der Strafverfolgung aus. Denn diese Unterlagen könnten gerade nicht kausal für spätere Aufsichtspflichtverletzungen ab dem Jahr 2009 sein. Im Übrigen stünde einer etwaigen Verfolgungsgefahr das Prozesshindernis der Verjährung entgegen.

Keine Schutzwürdigkeit wettbewerbswidriger Geheimnisse

Schließlich wurde ein Verweigerungsrecht nach § 384 Nr. 3 ZPO abgelehnt. Danach darf die Beantwortung von Fragen verneint werden, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren. Bei der Softwaremanipulation der Motorsteuerung handele es sich um eine wettbewerbswidrige Praxis. Die Rechtsordnung anerkenne nur in engen Grenzen die Geheimhaltung illegaler, wettbewerbswidriger Geheimnisse. Vorliegend sei die Robert Bosch GmbH nicht schutzwürdig, da die Vorlage der Urkunden nicht in Rechtsgüter Unbeteiligter eingreife, sondern sich gegen den Gefahrverursacher, die Volkswagen AG, richte.

LG Stuttgart, Urteil vom 13.07.2018 - 22 O 205/16

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2018.