VGH Kassel: Vorerst keine zonenbezogenen Diesel-Fahrverbote in Frankfurt am Main

Vorerst wird es keine zonenbezogenen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Frankfurt am Main geben. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Hessen in Kassel entschieden. Mit dem Urteil vom 10.12.2019 änderte er eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden zur Luftreinhalteplanung in Frankfurt ab. Das Land muss nach dem Urteil des VGH allerdings zumindest begrenzte Fahrverbote prüfen. Das Gericht hat die Revision zugelassen (Az.: 9 A 2691/18).

VG-Urteil sah Verkehrsverbot im Innenstadtbereich vor

Auf die Klage des Umweltverbandes Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte das VG Wiesbaden das beklagte Land mit Urteil vom 05.09.2018 unter anderem dazu verpflichtet, in den Luftreinhalteplan ein zonales Verkehrsverbot im Innenstadtbereich von Frankfurt am Main für Dieselfahrzeuge bis zur Schadstoffklasse Euro 4 ab dem 01.02.2019 und für solche der Schadstoffklasse Euro 5 ab dem 01.09.2019 aufzunehmen, und zwar entsprechend der Größe der Umweltzone.

Maßnahme in geplantem Umfang unverhältnismäßig

Auf die gegen dieses Urteil zugelassenen Berufungen des Landes und der Stadt Frankfurt am Main hat der VGH das Land zwar zur Fortschreibung des für die Stadt Frankfurt am Main geltenden Luftreinhalteplans unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtet, das Urteil des VG aber teilweise abgeändert. Denn ein Verkehrsverbot im Umfang der Umweltzone, wie es erstinstanzlich vorgesehen war, stelle sich zwar einerseits als unverhältnismäßig dar, andererseits hätten sich die bisher vorgesehenen Maßnahmen aber als ungeeignet erwiesen, in kürzest möglicher Zeit eine Grenzwertunterschreitung im gesamten Stadtgebiet zu erreichen. Da deren Minderungseffekte wegen des Fehlens einer Gesamtwirkungsanalyse sowie der zwischenzeitlich überholten Emissionsdaten nicht nachvollziehbar seien, werde dem Land aufgegeben zu ermitteln und zu berechnen, ob mit der Fortschreibung des Luftreinhalteplans daneben auch Verkehrsverbote für die genannten Fahrzeuge auf denjenigen Straßen beziehungsweise Streckenabschnitten, in denen der Grenzwert für Stickstoffdioxidvon 40/41 μg/m3 nach der aktualisierten Ermittlung und Berechnung im Jahr 2020 überschritten werden wird, anzuordnen sind.

Verkehrsverbote als Ultima Ratio

Dem hat Senat zugrunde gelegt, dass wegen der damit verbundenen Grundrechtseingriffe der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit heranzuziehen ist und Verkehrsverbote nur dann als Ultima Ratio in Betracht zu ziehen sind, wenn sie unabdingbar notwendig sind, um den Grenzwert von 40μg/m3 im vorgegebenen Zeitrahmen zu erreichen. Das Unionsrecht und das nationale Recht geböten es aber, in einer Einzelfallprüfung tatsächliche Feststellungen darüber zu treffen, ob auch streckenbezogene oder kleinräumig-zonale Fahrverbote in Betracht kommen. Dabei seien auch Verlagerungseffekte, die bei streckenbezogenen Verkehrsbeschränkungen zu erwarten wären, zu ermitteln. An derartigen Ermittlungen fehle es bei dem bisher vorgelegten Entwurf für eine Fortschreibung des Luftreinhalteplanes für Frankfurt am Main völlig. Von Verkehrsverboten könne jedoch abgesehen werden, soweit aufgrund der aktualisierten Prognose auch ohne deren Anordnung die Einhaltung oder Unterschreitung des Grenzwertes von 40 μg/m3 im Jahr 2021 zu erwarten ist.

Feststellungen zu Nachrüstverpflichtung der Busflotte fehlen

Auch für die erstinstanzlich getroffene Verpflichtung zur Anordnung einer Nachrüstverpflichtung der Busflotte oder einer Parkraumbewirtschaftung fehle es an den notwendigen tatsächlichen Feststellungen. Der Beklagte werde aber diese Maßnahmen bei der für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans notwendigen Ermittlung und Berechnung einer kombinierten Wirkungsanalyse gleichfalls zu berücksichtigen haben.

Verfahren möglichst bis Ende 2020 abzuschließen

Wegen des für die Fortschreibung noch durchzuführenden Verfahrens und der noch ausstehenden Analysen und Gutachten hat der VGH von der Aufnahme eines zwingend zu beachtenden Datums für den Erlass des Luftreinhalteplans in die Entscheidungsformel abgesehen. Da das unions-und immissionsschutzrechtliche Zügigkeitsgebot es jedoch verbiete, erst einen Zeitpunkt nach dem Jahr 2020 in den Blick zu nehmen, werde das Land das Verfahren möglichst bis zum Ende des Jahres 2020 abzuschließen haben.

VGH Kassel, Urteil vom 10.12.2019 - 9 A 2691/18

Redaktion beck-aktuell, 11. Dezember 2019.