VG Neustadt: Typische "Reichsbürger"-Angaben in Antrag rechtfertigen nicht allein den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse

Gibt eine Person in einem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit an, im “Königreich Bayern“ zu wohnen und früher im “Großherzogtum Hessen Deutschland“ gelebt zu haben, lässt dies alleine noch nicht auf eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung schließen, die den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse begründen könnte. In einem solchen Fall muss vielmehr eine Gesamtbetrachtung der Lebensführung vorgenommen werden. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Urteil vom 07.01.2019 entschieden (Az.:5 K 836/18).

Kläger war Inhaber mehrerer Waffenbesitzkarten und eines Kleinen Waffenscheins

Der Kläger, ein in Kaiserslautern lebender und praktizierender Mediziner, ist Jäger, Sportschütze und Inhaber mehrerer Waffenbesitzkarten und eines Kleinen Waffenscheins. Im Jahr 1978 hatte der Kläger erstmals die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zwecks Vorlage beim Landesamt für Jugend und Soziales Rheinland-Pfalz zur Erteilung der Approbation als Arzt beantragt. Dieser Ausweis wurde ihm im Mai 1978 ausgestellt und war auf zehn Jahre befristet.

Antrag auf Feststellung der Staatsangehörigkeit enthielt Angaben zu nicht mehr gültigen Staatsgebieten

Im Februar 2015 stellte der Kläger einen neuen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und gab dabei unter anderem als Wohnsitzstaat “Königreich Bayern (Deutschland)“ an. In der Rubrik “Aufenthaltszeiten seit Geburt“ führte er aus, in “Langen/Hessen, Großherzogtum Hessen Deutschland“ gelebt zu haben und heute in “Kaiserslautern, Königreich Bayern Deutschland“ zu wohnen. Nach Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises durch die Beklagte monierte der Kläger, dass sein Nachname ausschließlich in Großbuchstaben geschrieben worden sei. Er bitte um Korrektur der Schreibweise.

Beklagte widerrief waffenrechtliche Erlaubnisse

Aufgrund dieser Angaben widerrief die Beklagte gegenüber dem Kläger die ihm erteilten Waffenbesitzkarten sowie den Kleinen Waffenschein. Nach erfolgloser Einlegung eines Widerspruchs erhob der Kläger im Juni 2018 Klage und machte geltend, der Vorwurf des Beklagten, dass er der Szene der “Reichsbürger“ zuzurechnen sei und infolgedessen die Gefahr des missbräuchlichen Umgangs mit Schusswaffen etc. bestünde, sei gänzlich verfehlt. Er sei weder Reichsbürger, noch bekenne er sich zu dieser Szene, noch bestehe in seiner Person der Anlass zu der Vermutung, dass er Schusswaffen/Munition nicht ordnungsgemäß verwahren oder mit diesen nicht sorgfältig umgehen werde.

VG verneint waffenrechtliche Unzuverlässigkeit

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Person des Klägers lägen keine hinreichenden nachträglich eingetretenen Tatsachen vor, nach denen seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit anzunehmen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass vom Kläger kein plausibles Risiko einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen ausgehe. Die Beklagte habe ihre Annahme, dass der Kläger der “Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sei und sich entsprechendes Gedankengut zu eigen gemacht habe, ausschließlich auf seine Angaben im Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestützt.

Benutzte Formulierungen zwar häufig in Reichsbürgerbewegung anzutreffen

Zwar habe der Kläger in dem genannten Antrag Formulierungen gewählt, die typischerweise von Vertretern der “Reichsbürgerbewegung“ verwendet würden. Die Benutzung der Begriffe “Königreich Bayern“ und “Großherzogtum Hessen“ begründeten durchaus ein Indiz dafür, dass der Kläger die Gründung der Bundesrepublik Deutschland in Abrede habe stellen wollen. Selbst wenn dem Kläger im Jahr 2015 die Reichsbürgerbewegung noch gänzlich unbekannt gewesen sein sollte, hätte ihm bei seinem Bildungsstand jederzeit auffallen müssen, dass solche Vorgaben nur auf Personen zurückzuführen sein könnten, die das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehnten.

Angaben alleine rechtfertigen aber nicht den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse

Allerdings reichten die Angaben des Klägers nicht aus, um allein darauf die Annahme zu stützen, der Kläger negiere die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und erkenne die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung einschließlich Teilen der Regelungen des Waffengesetzes nicht für sich als verbindlich an. Vielmehr sei eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auch die Lebensführung des Klägers im Übrigen und seine Erklärungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren berücksichtige. Danach erwiesen sich die umstrittenen Angaben als nicht hinreichend tragfähig, um sie zur Begründung der waffenrechtlichen Verfügung heranzuziehen.

Lebensführung lässt nicht auf Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung schließen

Der Kläger lebe seit über 30 Jahren in Kaiserslautern, wo er als Mediziner tätig sei. Er sei Mitglied in mehreren Ärztekammern und in Gerichtsverfahren als von der Ärztekammer benannter Gutachter engagiert. In Bezug auf sein berufliches Umfeld lägen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, dass der Kläger die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehne. Insgesamt gesehen rechtfertigten jedenfalls derzeit weder sein berufliches Wirken noch sein Verhalten im vorliegenden Verfahren die Annahme, dass der Kläger die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland zukünftig missachten könnte.

Verhalten des Klägers als Einzelfall rein verbaler Provokation zu werten

Vor diesem Hintergrund erschienen seine Angaben als Einzelfälle einer rein verbalen Provokation im situativen Zusammenhang. Auch wenn sie sich damit gewissermaßen als “Ausrutscher“ darstellten, bedeute dies nicht, dass sie nicht gegebenenfalls im Zusammenhang mit weiteren, neu gewonnenen Erkenntnissen der Beklagten eine Rolle spielen könnten. Derzeit lasse sich jedoch ein plausibles Risiko dafür, dass der Kläger künftig Schusswaffen/Munition nicht ordnungsgemäß verwahren oder mit diesen nicht sorgfältig umgehen werde, darauf allein nicht stützen.

VG Neustadt a.d. Weinstraße, Urteil vom 07.01.2019 - 5 K 836/18

Redaktion beck-aktuell, 22. Januar 2019.