Kläger wurden bereits Erleichterungen gewährt
Der Kläger, der nach einer Hirnblutung an den Folgeschäden einer Gesichtsfeldeinschränkung und einer Sprachstörung (Aphasie) leidet, begehrte für seine Abschlussprüfung zum Verkäufer eine persönliche Assistenz, die für ihn Prüfungsfragen in sogenannte einfache Sprache überträgt und ihm Unterstützung bei der Formulierung seiner Antworten auf diese Fragen gibt. In der Vergangenheit hatte er für seine schriftlichen Prüfungen bereits Zeitverlängerungen um ein Drittel der Prüfungszeit erhalten, die die Industrie- und Handelskammer nach einem der mündlichen Verhandlung vorausgegangenen Erörterungstermin vor dem Gericht auf 50% der Prüfungszeit verlängert hatte. Außerdem wurden die Prüfungsaufgaben für ihn optisch vergrößert.
VG verneint Anspruch auf persönliche Assistenz
Die Bereitstellung einer persönlichen Assistenz für die mündliche Prüfung lehnte das VG nach Auswertung fachärztlicher Gutachten und Anhörung der Beauftragten der Hessischen Landesregierung für Menschen mit Behinderungen jedoch ab. Zwar gebiete das Gebot auf Chancengleichheit, dass bei Prüfungen die besonderen Verhältnisse behinderter Menschen berücksichtigt werden müssten. Ihnen sei daher grundsätzlich ein Nachteilsausgleich zu gewähren, um chancengleiche äußere Bedingungen für die Erfüllung der Leistungsanforderungen herzustellen.
Grenzen des Nachteilsausgleichs: Leistungsstand muss feststellbar sein
Dies finde aber seine Grenzen, wenn durch den Nachteilsausgleich - hier in Form der geforderten persönlichen Assistenz - der wahre Leistungsstand im Vergleich zu den Mitprüflingen nicht mehr ermittelbar wäre. Die Gewährung eines Nachteilsausgleichs scheide mithin aus, wenn die Einschränkungen, denen der Betroffene unterworfen sei, den Kernbereich der Fähigkeiten beträfen, die mit der jeweiligen Prüfung gerade festgestellt werden sollen. Als Beispiel nennt das VG eine blinde Person, die nicht Berufskraftfahrer werden könne.
Hier Kernbereich der zu prüfenden Fähigkeiten betroffen
Nach Ansicht des VG spricht im Fall des Klägers einiges dafür, dass seine sprachlichen Einschränkungen einen Kernbereich des Leistungsbildes seines Ausbildungsberufes betreffen. In diesem Fall sei die hier begehrte Form des Nachteilsausgleichs rechtlich nicht zulässig. Denn durch den Nachteilsausgleich in Form einer persönlichen Assistenz, die Fragen vereinfache und damit unter Umständen auch Inhalt und Aufgabenstellung verändere, und zudem Hilfe bei der Formulierung von Antworten leiste, wäre der wahre Leistungsstand des Klägers im Vergleich zu seinen Mitprüflingen nicht mehr ermittelbar.