VG Frankfurt am Main: Handwerkskammer durfte sich nicht polemisch überspitzt zum Dieselskandal äußern

Handwerkskammern müssen die Gesamtinteressen der Mitglieder ihres Bezirks wahrnehmen und dürfen sich nur mit der notwendigen Zurückhaltung und Objektivität äußern. Dies hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 27.02.2020 entschieden und eine Äußerung einer Handwerkskammer im Zusammenhang mit dem Dieselfahrverbots-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wegen polemischer Überspitzung für rechtswidrig erachtet. Das VG hat die Berufung zugelassen (Az.: 12 K 1039/19.F).

Handwerkskammer äußerte sich anlässlich Dieselfahrverbots-Urteil des BVerwG

Die Klägerin betreibt eine Motorradwerkstatt und ist Mitglied der beklagten Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. Sie wendete sich gegen Äußerungen der Beklagten und deren Präsidenten, die im Zeitraum Februar bis September 2018 im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Dieselfahrverboten und den Themen der Luftreinhaltung öffentlich gemacht wurden.

Beanstandete Äußerungen

In einer Pressemitteilung vom 24.08.2018 hieß es: "Es kann nicht sein, dass wir an allen Ecken und Enden der Stadt Verkehrsversuche starten, sperren und verlangsamen, wenn das auf Kosten der Bevölkerung geht." In Bezug auf zwei weitere Pressemitteilungen rügte der Kläger die Formulierungen "Fahrverbote schaden der Region, der Bevölkerung" und "Die Situation ist für die Mitarbeiter unserer Unternehmen und die Unternehmen selbst eine Katastrophe".

Aufgabenüberschreitung und Verstoß gegen Neutralitätspflicht gerügt

Die Klägerin war der Auffassung, die Beklagte überschreite mit diesen Äußerungen ihren gesetzlichen Aufgabenbereich und bediene sich polemischer Überspritzungen. Zudem sei ein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht gegeben, weil die Beklagte die Pressemeldung vom 24.08.2018 gemeinsam mit der CDU-Fraktion Frankfurt am Main herausgegeben habe.

VG: Handwerkskammern zu Zurückhaltung und Objektivität verpflichtet

Das VG hat festgestellt, dass die Pressemitteilung vom 24.08.2018 ("an allen Ecken und Enden der Stadt") rechtswidrig war, und die Klage im Übrigen abgewiesen. In entsprechender Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Industrie- und Handelskammern hätten auch die Handwerkskammern die Gesamtinteressen der Mitglieder ihres Bezirks wahrzunehmen und könnten sich nur mit der notwendigen Zurückhaltung und Objektivität äußern. Auch sei es Aufgabe der Handwerkskammern, in ständigem kommunikativen Austausch mit Behörden und politischen Akteuren zu stehen.

Formulierung "an allen Ecken und Enden der Stadt" polemisch überspitzt

Das VG beanstandete die Formulierung "an allen Ecken und Enden der Stadt", da sie polemisch überspitzt sei. Hingegen sei der Begriff der "Katastrophe" zwar ein starker Ausdruck, gehöre aber zum allgemeinen Sprachgebrauch. Das isolierte Herausgreifen der Formulierung "Fahrverbote schaden der Region" lasse den Kontext außer Acht. Die aktuellen und kontrovers diskutierten Themen wie Dieselfahrverbote und Luftreinhaltung sowie verkehrspolitische Fragestellungen dürften nicht nur konkret für den Kammerbezirk, sondern auch über dessen Grenzen hinaus relevant sein.

VG Frankfurt a. M., Urteil vom 27.02.2020 - 12 K 1039/19.F

Redaktion beck-aktuell, 28. Februar 2020.