VerfGH Rheinland-Pfalz: Nachrücker für Landtag muss auch nach Wahltag Hauptwohnung im Land gehabt haben

Vor dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz war die Wahlbeanstandung eines Listenbewerbers der CDU für die Landtagswahl am 13.03.2016 erfolglos. Der Gerichtshof entschied, dass ein Wahlbewerber auch in der Zeit zwischen dem Wahltag und dem Eintritt des "Nachrückfalles" ununterbrochen seine Haupt- oder einzige Wohnung in Rheinland-Pfalz haben müsse. Deswegen sei nicht zu beanstanden, dass der Landeswahlleiter nicht den Antragsteller, sondern einen anderen Listenbewerber der CDU als Nachfolger eines am 01.10.2019 aus dem Landtag ausgeschiedenen Abgeordneten berufen habe (Beschluss vom 19.03.2020, Az.: VGH W 6/20).

Landeswahlleiter: Umzug nach Hessen steht Berufung entgegen

Der Antragsteller war von seiner Partei für einen Wahlkreisbewerber, der seinerseits über die Landesliste der CDU ein Landtagsmandat errang, als Ersatzbewerber für die Landtagswahl am 13.03.2016 aufgestellt worden. Nachdem dieser Landtagsabgeordnete wegen seiner Wahl in das Europaparlament am 26.05.2019 mit Schreiben vom 19.09.2019 sein Landtagsmandat zum 01.10.2019 niedergelegt hatte, stellte der Landeswahlleiter fest, dass der Antragsteller nicht zum Abgeordneten des Landtags Rheinland-Pfalz berufen werden könne, weil er nach der Landtagswahl seine Wählbarkeit verloren habe. Da er im Februar 2019 seine alleinige Wohnung in Hessen genommen habe, habe er zu diesem Zeitpunkt durch Fortzug aus Rheinland-Pfalz das Wahlrecht zum Landtag Rheinland-Pfalz verloren.

Spätere Wiederbegründung der Hauptwohnung in Rheinland-Pfalz irrelevant

Dass der Antragsteller in Kenntnis der bevorstehenden Mandatsniederlegung des ausgeschiedenen Landtagsabgeordneten seine Hauptwohnung wieder in Rheinland-Pfalz genommen habe, ändere im Ergebnis nichts. Die "Berufungsfähigkeit" lebe dadurch nicht etwa wieder auf. Die Bedingung des Vorliegens der ununterbrochenen Wählbarkeit zum Landtag gelte nämlich nicht nur für Mandatsträger, sondern auch für die vom Wahlausschuss zugelassenen Bewerber, die – wie der Antragsteller – als Ersatzpersonen in Betracht kämen. Der Landeswahlleiter berief daraufhin anhand der von der CDU eingereichten Landesliste die – nach dem Antragsteller – nächste noch nicht berufene Ersatzperson. Diese ist seit dem 01.10.2019 Landtagsabgeordneter.

Antragsteller hält "dauerhafte" Sesshaftigkeit in Rheinland-Pfalz für nicht erforderlich

Dagegen erhob der Antragsteller im Oktober 2019 Wahlbeanstandung zum Landtag Rheinland-Pfalz. Nachdem der Wahlprüfungsausschuss hierüber nach Ablauf von drei Monaten nicht entschieden hatte, beantragte er die (unmittelbare) Entscheidung des VerfGH über seine Wahlbeanstandung. Er machte vor allem geltend, es sei aus seiner Sicht ausreichend, dass er im Zeitpunkt der Berufung als Ersatzperson die Wählbarkeitsvoraussetzungen erfülle. Das Erfordernis einer "dauerhaften" Sesshaftigkeit ergebe sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Der anstelle des Antragstellers zum Abgeordneten berufene Listenbewerber, der Minister des Innern und für Sport sowie der Landeswahlleiter sind dem Antrag entgegengetreten.

VerfGH verweist auf für gewählte Abgeordnete geltende Regelung

Der VerfGH hat die – wegen der nicht fristgerechten Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses des Landtags als Untätigkeitsbeschwerde statthafte – Wahlbeanstandung zurückgewiesen. Der von dem Landeswahlleiter anstelle des Antragstellers zum Abgeordneten des Landtags berufene Listenbewerber sei zu Recht berufen worden. Denn der Antragsteller habe durch die Aufgabe seiner Hauptwohnung in Rheinland-Pfalz im Februar 2019 sowohl das aktive wie das passive Wahlrecht zum Landtag verloren. Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 Landeswahlgesetz Rheinland-Pfalz sei er damit als Nachfolger "vorher ausgeschieden" und habe nicht mehr berufen werden könne. Im Fall eines gewählten Abgeordneten müsse die Sesshaftigkeit als Wählbarkeitsvoraussetzung nicht nur am Wahltag selbst, sondern auch noch danach und ununterbrochen vorliegen. Durch Wegfall der Wählbarkeitsvoraussetzung (hier: infolge Fortzugs in ein anderes Bundesland) verliere er automatisch sein Mandat. Dieser Verlust sei unwiederbringlich.

Wählbarkeitsvoraussetzungen müssen auch bei Ersatzpersonen ununterbrochen vorliegen

Für einen zu diesem Zeitpunkt noch nicht berufenen (Listen-)Bewerber, wie den Antragsteller, gelte nichts anderes. Im Hinblick auf das wahlrechtliche Erfordernis des ununterbrochenen Vorliegens der Wählbarkeitsvoraussetzungen gebe es einen wahlrechtlichen Gleichlauf zwischen gewählten Abgeordneten und Ersatzpersonen. Verliere ein Nachfolger oder ein noch nicht zum Abgeordneten berufener Listenbewerber seine Wählbarkeit, so verliere er unmittelbar und unwiederbringlich auch seine durch die Stimmabgabe des Wählers vermittelte anwartschaftsähnliche Rechtsposition auf Erwerb der Mitgliedschaft im Landtag.

Nur so Unmittelbarkeit der Wahl sichergestellt

Nur so werde gewährleistet, dass die mit dem Wahlakt festgelegte Reihenfolge für die Berufung der Ersatzpersonen und damit der verfassungsrechtliche Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl eingehalten würden, so der VerfGH. Es würde den formalen und strengen Regeln des Wahlrechts widersprechen, den Bestand der einmal (hier durch den Fortzug einer Ersatzperson in ein anderes Bundesland) erlangten, verbesserten Rangfolge vom subjektiven Ermessen eines Dritten anhängig zu machen, ob er seine Wählbarkeit durch eine erneute Verlegung seiner Wohnung wieder herstelle. Die freiwillige Aufgabe der (Haupt-)Wohnung in Land Rheinland-Pfalz durch den Antragsteller komme einem Verzicht daher zumindest "sehr nahe".

VerfGH RhPf, Beschluss vom 19.03.2020 - W 6/20

Redaktion beck-aktuell, 23. März 2020.