Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen: Gesetz soll Wettbewerb fairer machen
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Die Bundesregierung will Billiglohn-Arbeit bei öffentlichen Aufträgen zurückdrängen. Die Arbeitgeber sind verärgert. Unterstützung kommt von den Gewerkschaften.

Das Kabinett hat den Entwurf eines Tariftreuegesetzes beschlossen. Bei öffentlichen Aufträgen des Bundes ab 50.000 Euro sollen Unternehmen ihren Beschäftigten künftig Entgelt, Weihnachtsgeld, Urlaub und Ruhezeiten nach branchenüblichen Tarifverträgen gewähren müssen. Das Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag soll die Tarifbindung stärken.

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas bezeichnete den Gesetzentwurf aus ihrem Haus als wichtigen Schritt für mehr Fairness bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. "Lohn-Dumping mit Steuergeld schieben wir einen Riegel vor", sagte die SPD-Politikerin. Das Tariftreueversprechen soll laut Regierung als einfache, unbürokratische Erklärung im Vergabeverfahren abgegeben werden können. Tarifgebundene Unternehmen seien im Wettbewerb häufig benachteiligt, da Konkurrenten mit geringeren Personalkosten günstiger anbieten könnten. Tarifverträge seien "die Basis für anständige Löhne und gute Arbeitsbedingungen", so Bas. Der Anteil tarifgebundener Arbeitsplätze sei in den vergangenen Jahrzehnten von rund 75% auf etwa 50% gesunken.

Für Bas kommt das Gesetz zur richtigen Zeit. Sie spielt auf das vom Kabinett beschlossene Sondervermögen Infrastruktur an: In den kommenden Jahren würden zahlreiche öffentliche Aufträge vergeben. Viel Geld werde in die Modernisierung von Brücken, Krankenhäusern, Schulbauten fließen. Und da solle, wer im Auftrag des Bundes arbeite "auch ordentlich bezahlt werden”, so die Ministerin.

Arbeitgeberverbände warnen vor Bürokratie und Zwang

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisiert die Pläne der Bundesregierung. Das Tariftreuegesetz sei ein "Tarifzwangsgesetz" und dürfe so nicht kommen, sagte Dulger der Deutschen Presse-Agentur. "Mit echter Tariftreue hat das nichts zu tun – denn Treue setzt Freiwilligkeit voraus, nicht staatlichen Zwang". Der Entwurf aus dem Arbeitsministerium sei genau das Gegenteil von Bürokratie-Rückbau. "Die Vergabe im öffentlichen Raum wird so noch komplizierter. Das Gesetz darf so nicht kommen." Bürokratieabbau brauche Vertrauen in die Wirtschaft und die Kräfte des Marktes, meinte Dulger.

DIHK: "Zusätzlicher bürokratischer Ballast"

Ähnlich sieht es die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) , die auf einen hohen bürokratischen Aufwand verweist. Sie appelliert an die Bundesregierung, das geplante Tariftreuegesetz fallen zu lassen. "Das Tariftreuegesetz geht in die völlig falsche Richtung, es konterkariert das gemeinsame Ziel der wirtschaftlichen Erholung", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Wenn mit dem Sondervermögen 500 Milliarden Euro in Infrastruktur investiert werden sollen, müsse die öffentliche Hand kostengünstig vorgehen. Das Tariftreuegesetz erhöhe aber den bürokratischen Aufwand und verhindere den effizienten Einsatz der Mittel durch die öffentliche Hand. "Es wären hier Erleichterungen im Vergaberecht notwendig und kein zusätzlicher bürokratischer Ballast", sagte Adrian. Der unabhängige Normenkontrollrat hatte am 5. August in dieselbe Kerbe geschlagen.

Gesetz "muss konsequent sein"

Die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner hielt dagegen: "Es ist gut und richtig, dass das Tariftreuegesetz kommt. Aber es muss konsequent sein. Das bedeutet, es darf keine Ausnahmen, Verzögerungen oder Schwellenwerte geben, die es Arbeitgebern möglich machen, sich dem Gesetz zu entziehen."

Benner verwies auf die geplanten Milliardeninvestitionen des Bundes in die Infrastruktur. "Es ist daher nur anständig und sorgt zudem für einen fairen Wettbewerb, wenn es klare Regeln zur Bezahlung der Menschen gibt, die unsere Brücken instand setzen, unsere Schienen ausbauen, unsere Schulen und Kitas ausstatten, die Materialien dafür liefern." Die IG Metall kritisiert, dass die Beschaffung der Bundeswehr vom Tariftreuegesetz ausgenommen werden soll.

DGB kritisiert Ausnahmen für Bundeswehr und Aufträge mit kurzer Laufzeit

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) stellte sich hinter den Kabinettsbeschluss. "Mit diesem Beschluss sendet die Bundesregierung endlich ein wichtiges Signal für tariflich abgesicherte Löhne und Arbeitsbedingungen, wie es der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften lange gefordert haben", sagte DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. Das Gesetz sei ein "wichtiger Hebel zur Stärkung der Tarifbindung" und könne helfen, fairen Wettbewerb zu sichern. Billigstangebote auf Kosten der Beschäftigten dürften künftig nicht mehr den Zuschlag erhalten.

Zugleich mahnte Fahimi, dass Nachbesserungen im parlamentarischen Verfahren nötig seien. So sei der Schwellenwert von 50.000 Euro zu hoch – damit würden mehr als ein Viertel der rund 22.000 jährlichen Bundesaufträge nicht erfasst. Kritisch sieht der DGB zudem Ausnahmen bei Lieferleistungen sowie die Begrenzung tariflicher Arbeitszeitregelungen auf Aufträge ab zwei Monaten Laufzeit. Auch die vorgesehene Ausnahme für Aufträge zur Bedarfsdeckung der Bundeswehr sei "unverständlich". Fahimi sprach sich für eine Verabschiedung des Gesetzes noch in diesem Jahr aus.

Redaktion beck-aktuell, cil, 6. August 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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