Studie: Geringere Beiträge bei einheitlicher Gesetzlicher Krankenversicherung

Wenn alle Bürger gesetzlich krankenversichert wären, könnten die Beiträge spürbar sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführte Studie des Berliner IGES Instituts, teilte die Stiftung am 17.02.2020 mit. Jeder gesetzlich Versicherte und sein Arbeitgeber könnten dann zusammen pro Jahr durchschnittlich 145 Euro an Beiträgen sparen, so die Studie. Kritik von Verfechtern des dualen Systems der Krankenversicherung folgte prompt.

Studie: Privatversicherte verdienen im Schnitt mehr und sind gesünder

Nach der Studie verdienten Privatversicherte (Gutverdiener, Beamte und einkommensstarke Selbstständige) durchschnittlich 56% mehr als gesetzlich Versicherte und sind auch gesünder als gesetzlich Versicherte. Würden sie in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) einbezogen, würde die GKV jährlich ein finanzielles Plus in Höhe von rund neun Milliarden Euro erzielen. Der Beitragssatz könnte entsprechend je nach Szenario um 0,6 bis 0,2 Prozentpunkte sinken. Jeder derzeit GKV-Versicherte und sein Arbeitgeber würden zusammen pro Jahr durchschnittlich um 145 Euro bei den Beiträgen entlastet. Würden die durch den Wegfall der Privaten Krankenversicherung anfallenden Honorarverluste der Ärzte ausgeglichen, wären es 48 Euro jährlich.

Mohn: Tragfähige Solidargemeinschaft erfordert einheitliche GVK

"Nur wenn sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen zusammentun, um die Risiken zwischen Gesunden und Kranken auszugleichen, kann eine tragfähige Solidargemeinschaft entstehen. Die Aufspaltung der Krankenversicherung in einen gesetzlichen und einen privaten Zweig wird diesem Solidaranspruch nicht gerecht und schwächt den sozialen Zusammenhalt", betont Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.

Falsche Anreize: Ärzteballung in Gebieten mit vielen Privatversicherten

Die Studie lege zudem nahe, dass die private Krankenversicherung (falsche) Anreize für Ärzte setze, sich in gut versorgten Gegenden mit vielen Privatversicherten niederzulassen. Am Beispiel Bayerns zeige die Studie, dass in Gegenden mit einer hohen Anzahl Privatversicherter überdurchschnittlich viele Ärzte ansässig seien. Ein ursächlicher Zusammenhang habe sich allerdings nicht nachweisen lassen.

Bundesärztekammer: Studie beruht auf unrealistischem Szenario

Scharfe Kritik übte die Bundesärztekammer. Die Studie gehe von einem unrealistischen Szenario aus. Es werde unterstellt, alle knapp neun Millionen Privatversicherten könnten in ihrer Gesamtheit ad hoc in die GKV überführt werden. Dies wäre schon rechtlich nicht möglich. Ferner würden die über viele Jahre aufgebauten Alterungsrückstellungen der Privatversicherten überhaupt nicht thematisiert, die bei einem solchen Szenario komplett entfallen würden. Ferner gelange man nur dann zu der genannten Ersparnis, wenn der Mehrumsatz, den Ärzte durch PKV-Versicherte erzielten und der für die Finanzierung des Praxisbetriebs und des Praxispersonals unentbehrlich sei, ersatzlos entfallen würde.

Zwei-Klassenmedizin durch Einheitsversicherung

Die Bundesärztekammer warnt zudem davor, dass eine Einheitsversicherung den Weg für eine "echte Zwei-Klassenmedizin“ in Deutschland ebnen würde: Denn finanzkräftige Patienten würden sich dann einen exklusiven Zugang zur Spitzenmedizin sichern, als Selbstzahler oder durch teure Zusatzversicherungen.

Redaktion beck-aktuell, 17. Februar 2020.