OLG Karlsruhe: Kaskoversicherung – Unwirksame Übereignungsklausel bei Versicherung eines Oldtimers

ZPO §§ 128 IV, 138, 511 I, 567 I Nr. 2, 572 I, 922 I 1; AGBG §§ 3, 9 I; AKB § 13 VII; BGB §§ 935 I, 985

Bei der Versicherung eines Oldtimers benachteiligt die Klausel, wonach das Fahrzeug im Fall eines Diebstahls Eigentum des Versicherers wird, wenn es nicht binnen eines Monats wieder zur Stelle gebracht wird, den Versicherungsnehmer unangemessen. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Beschluss entschieden. Damit schloss sich der 9. Zivilsenat des Gerichts der Rechtsprechung des 12. Zivilsenats an. Das OLG befasste sich außerdem mit der Entscheidungsform bei mündlicher Verhandlung im einstweiligen Verfügungsverfahren.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2017 - 9 W 30/17 (LG Konstanz), BeckRS 2017, 133585

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 25/2017 vom 14.12.2017

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Sachverhalt

Die Parteien stritten in einem einstweiligen Verfügungsverfahren um die Frage, wer Eigentümer des streitgegenständlichen Oldtimers Ferrari Typ 500 ist. Der Antragsgegner Ziff. 1 (AG 1) ist Geschäftsführer der Antragsgegnerin Ziff. 2 (AG 2), einer KG. Für den Ferrari bestand eine Vollkasko-Versicherung bei der Streithelferin (V).

Der Ferrari wurde im Jahr 1995 von W., einem Ferrari-Liebhaber, erworben. Im Jahr 1997 wurde das Fahrzeug in Italien entwendet. Noch im Jahr 1997 erhob W gegen die V Klage auf Versicherungsschutz. Hierbei vertrat ihn der Antragsteller (ASt.) als Rechtsanwalt. Im Januar 2006 wurde die V zur Zahlung von 352.791,39 EUR verurteilt.

In der Folge wurden verschiedene Teile des Ferraris aufgefunden, die W. erhielt. Im März 2006 veräußerte er die Teile samt eines weiteren Ferrari-Motors an den ASt.

Im Jahr 2015 wurde dem AG 1 in Italien ein Ferrari 500 angeboten. Er vermutete, dass es sich um das damals entwendete Fahrzeug handelte. Daher wendete er sich an den ASt, der angab, der Eigentümer zu sein. In der Folge erwarb der AG 1 zum einen den damals von W. erworbenen Motor. Zum anderen räumte der ASt. dem AG das Optionsrecht ein, den Ferrari zu erwerben. Die Option wurde jedoch nicht ausgeübt.

Im Juni 2017 gelangte der AG 1 in den Besitz des Ferraris, der in einer im Eigentum der AG 2 stehenden Halle untergestellt wurde. Der ASt. meint, er habe im Jahr 2006 von W das Eigentum am Ferrari erworben. Die AG seien verpflichtet, das Fahrzeug herauszugeben.

Der ASt. beantragte daher den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Das LG Konstanz wies den Antrag zurück. Hiergegen legte der ASt. sofortige Beschwerde ein. In der Folge wurde am 08.09.2017 mündlich verhandelt. Mit Beschluss vom 13.09.2017 hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen.

Rechtliche Wertung

Das OLG Karlsruhe wies die sofortige Beschwerde zurück. Dem ASt. stehe kein Verfügungsanspruch gegen die AG 2 zu.

Die sofortige Beschwerde sei zulässig. Das LG habe durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden. Daher sei § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO (sofortige Beschwerde) anwendbar und nicht § 511 Abs. 1 ZPO (Berufung gegen ein Endurteil). Das LG sei berechtigt gewesen, im Abhilfeverfahren mündlich zu verhandeln (§ 128 Abs. 4 ZPO). Dies ändere aber am Gang des Abhilfeverfahrens und an der gebotenen Form der Entscheidung durch Beschluss nichts.

Der ASt. habe jedoch keinen Anspruch auf Herausgabe des Oldtimers gemäß § 985 BGB. Denn nicht er, sondern W. sei Eigentümer des Fahrzeugs.

Die V habe das Eigentum nicht durch Zahlung der Versicherungssumme im Jahr 2006 erworben. Die Klausel im Versicherungsvertrag (§ 13 Abs. 7 AKB, Stand: 01.07.1996), wonach sie als Kasko-Versicherer Eigentümerin wird, wenn das entwendete Fahrzeug nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Schadensanzeige wieder zur Stelle gebracht wird, sei wegen Verstoß gegen § 3 AGB-Gesetz a. F. (überraschende Klausel) und gegen § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz a. F. (unangemessene Benachteiligung) unwirksam. Der Senat folge insoweit der Entscheidung des 12. Zivilsenats des OLG Karlsruhe (Urteil vom 01.09.2016 - 12 U 90/16, r+s 2016, 504, Anmerkung Grams in FD-VersR 2016, 381408), wonach der sonst in der Kaskoversicherung übliche Eigentumsübergang überraschend ist und eine unangemessene Benachteiligung darstellt, wenn ein Oldtimer versichert wird.

Bei einem Oldtimer habe der Versicherungsnehmer - anders als bei einem normalen Gebrauchsfahrzeug – oft ein erhebliches Interesse daran, das Fahrzeug zu besitzen. Die Klausel stelle keinen angemessenen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Parteien her. Bei einem Oldtimer bestehe jedenfalls die reale Möglichkeit einer Wertsteigerung. Die Klausel regele daher ein Spekulationsgeschäft. Die Unwirksamkeit führe auch nicht zu unzumutbaren Nachteilen der V. Denn ihr stehe ein Ausgleichsanspruch gegen den Eigentümer W. zu.

W. habe das Eigentum auch nicht im Jahr 2006 an den ASt. verloren. Dies ergebe eine Auslegung des Kaufvertrages. Ferner habe die AG 2 durch den Erwerb des Fahrzeugs in Italien kein Eigentum erworben, da nicht der Eigentümer W. der Veräußerer gewesen sei. Die AG 2 habe auch durch eine Vereinbarung mit der V nicht Eigentümerin werden können, da diese ihrerseits nicht Eigentümerin geworden sei.

Praxishinweis

Der entscheidende Senat folgt nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Argumentation dem 12. Zivilsenat des OLG Karlsruhe a.a.O. Beide Entscheidungen stellen maßgeblich auf die spezielle Interessenlage bei Oldtimern ab. In dem zitierten Urteil aus dem Jahr 2016 äußerte das OLG, im Rahmen der Diebstahlversicherung seien Oldtimer eher mit Wertsachen vergleichbar als mit gewöhnlichen Kraftfahrzeugen. Der 9. Zivilsenat spannt nun einen ähnlichen Bogen, indem er ausführt, dass die üblichen Hausratversicherungsbedingungen (A § 18 Ziff. 3 AHB 2010) zeigten, wie eine für beide Seiten angemessene Reglung nach dem Diebstahl eines entwendeten Oldtimers aussehen könnte.

Eine hier berücksichtigte Sonderstellung von Oldtimern kommt auch in anderen Konstellationen zum Tragen, beispielsweise wenn es um die Bestimmung des Wiederbeschaffungswerts nach einem Unfall geht. Insofern wird darauf hingewiesen, dass sich der Markt für Oldtimer in der Regel unter Ausschluss der Händler durch Angebot und Nachfrage interessierter Kreise bildet (Stiefel/Maier/Meinecke, AKB, 19. Aufl. 2017, A.2 AKB 2015, Rn. 454 ff.). Auf die zahlreichen Besonderheiten im Schadenfall bei Oldtimern weist Wolf, NJW-Spezial 2017, 649 hin.

Redaktion beck-aktuell, 22. Dezember 2017.