OLG Hamm: Versuch der sexuellen Nötigung durch Drohung mit Veröffentlichung von "Nacktbildern"

Wird einer Geschädigten damit gedroht, von ihr an den Täter übersandte "Nacktbilder" bei Facebook zu veröffentlichen sowie diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen, um sie zur Vornahme der von dem Täter gewünschten sexuellen Handlungen zu veranlassen, hat der Täter zur Begehung einer sexuellen Nötigung im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB unmittelbar angesetzt und damit das Versuchsstadium der Tat erreicht. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 09.04.2019 entschieden und ein Berufungsurteil des Landgerichts Bielefeld aufgehoben und das Verfahren zurückverwiesen (Az.: 3 RVs 10/19).

Angeklagter drohte mit Veröffentlichung von "Nacktbildern"

Nach den zuvor getroffenen Feststellungen des LG hatte der heute 30 Jahre alte Angeklagte aus Bünde einer jetzt 19-jährigen Schülerin gedroht, die von ihr an ihn übersandten "Nacktbilder" bei Facebook zu veröffentlichen sowie diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen. Hierdurch wollte er sie dazu veranlassen, von ihm gewünschte sexuelle Handlungen vorzunehmen. Bereits zuvor – als die Schülerin circa 16 Jahre alt war – hatte sich zwischen ihnen ein reger Schreibkontakt auf WhatsApp entwickelt. Die Zeugin verliebte sich in den Angeklagten. Etwa Anfang Juni 2017 tauschten sie auf Initiative des Angeklagten über WhatsApp Nacktfotos aus. Als die Nacktfotos verschickt wurden, kam es bereits zu ersten sexuellen Anspielungen seitens des Angeklagten, der sich von der Schülerin sexuell befriedigen lassen wollte. Ihre ablehnende Haltung wollte er durch die Drohung mit der Veröffentlichung ihrer Nacktfotos oder dem Aufhängen ausgedruckter Fotos im Bereich ihrer Schule überwinden. Die Schülerin fühlte sich massiv unter Druck gesetzt und wusste nicht, was sie machen sollte. Der Angeklagte hielt es aber für möglich, dass sie seinem Druck nachgeben würde. Schließlich ging die Schülerin Mitte Juni 2017 zur Polizei und erstattete Anzeige. Bei einer sich anschließenden Durchsuchung händigte der Angeklagte sein Smartphone den Polizeibeamten aus, auf dem sich noch die fünf von der Schülerin übersandten Nacktaufnahmen befanden.

LG sprach Angeklagten frei

Das Amtsgericht Herford hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hob das LG Bielefeld das AG-Urteil auf und sprach den Angeklagten frei. Nach Auffassung des LG hatte der Angeklagte nach seiner Vorstellung von der Tat noch nicht unmittelbar zur Verwirklichung einer sexuellen Nötigung angesetzt. Mit der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft diese rechtliche Bewertung des LG.

OLG: Versuchsstadium mit Drohung erreicht

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft war erfolgreich. Das OLG hat das angefochtene Berufungsurteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des LG Bielefeld zurückverwiesen. Der Angeklagte sei zu Unrecht freigesprochen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe ein Täter die für den Versuchsbeginn maßgebliche Schwelle regelmäßig überschritten, wenn er bereits ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands verwirklicht habe. Durch seine Drohung, die von der Schülerin an den Angeklagten übersandten "Nacktbilder" bei Facebook zu veröffentlichen sowie diese auszudrucken und in ihrer Schule aufzuhängen, habe der Angeklagte eine Nötigungshandlung im Sinne von § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB – und damit ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands – verwirklicht. Jedenfalls durch diese Nötigungshandlung habe der Angeklagte – was weitere Voraussetzung für die Annahme eines Versuchs sei – die sexuelle Selbstbestimmung als Schutzgut des § 177 StGB der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährigen Schülerin unmittelbar gefährdet. Nicht erforderlich sei gewesen, dass die Schülerin den Angeklagten zu Hause aufgesucht hätte.

OLG Hamm, Urteil vom 09.04.2019 - 3 RVs 10/19

Redaktion beck-aktuell, 12. April 2019.