Mord vor Augen der Kinder
Immer und immer wieder stach er zu. Beinahe habe es so ausgesehen, als wollte er der Frau den Kopf abschneiden, sagen Zeugen. Der Sohn der Frau schrie, versuchte ihn abzuhalten. Doch der damals Elfjährige musste mit seinem fünfjährigen Bruder ansehen, wie die Mutter auf einem Supermarktparkplatz in Prien am Chiemsee getötet wird. Die aus Afghanistan stammende Frau war zum Christentum konvertiert. Ihr Mörder ist Muslim, ein Landsmann.
Familie traumatisiert
Wie sehr die Familie traumatisiert ist, zeigt sich im Gerichtssaal. Ein Angehöriger der Frau bricht nach der Urteilsverkündigung unter Weinkrämpfen zusammen. Der älteste Sohn, der auch Nebenkläger ist, gibt sich gefasst. Er habe aber vor dem Termin Beruhigungstabletten nehmen müssen, sagt Paiman Saadat. "Ohne Mutter ist es schwer." Er müsse nun für seine beiden kleinen Brüder da sein, sagt der 21-Jährige. "Ich muss mich vor den Augen meiner Brüder kontrollieren." Er gehe mit ihnen zum Spielen, ins Freie, ins Kino - der Versuch von Normalität. Für Saadat ist wichtig, dass der Mörder seiner Mutter so lange wie möglich hinter Gittern sitzt.
Abschiebung wahrscheinlich
Voraussichtlich wird es aber irgendwann auf die Abschiebung hinauslaufen. Mit der besonderen Schwere der Schuld, mit der in der Regel eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren nicht praktiziert wird, verlängert sich auch die Zeit, nach der die Justizbehörden einer Abschiebung zustimmen. Nach Einschätzung von Verteidiger Harald Baumgärtl könnte es in 15 bis 17 Jahren zur Abschiebung kommen. In Afghanistan käme der Täter dann als freier Mann an.
Motiv für Mord schwer greifbar
Auch im Prozess blieb das Motiv schwer greifbar: Frust über die eigene Lage, Ärger darüber, dass eine Frau konvertiert? Die einzige Erklärung, die der Mann, der 2013 nach Deutschland kam, vor Gericht gab, war: Er wisse nicht, was in seinem Kopf vorgegangen sei; ihm sei nicht klar, wie es zu der Tat kommen konnte. Einem Gutachter hatte er hingegen gesagt, es habe ihn schwer belastet, dass die Frau ihm den Übertritt zum Christentum vorschlug - das habe "seinen Kopf kaputt gemacht". Dabei hielt er sich selbst nicht sehr streng an die Glaubensregeln - zumindest trank er Alkohol.
Anwalt des Täters denkt über Revision nach
Richter Fuchs geht von einem "Motivbündel" aus, von "mehreren Motiven, die in Zusammenhang stehen und sich auch ergänzen". Wut und Frust des 30-Jährigen über die eigene Situation. Das Opfer war bestens integriert, sein Asylantrag hingegen war abgelehnt worden. "Seine Verärgerung und seine aufgestaute Wut über seine eigenen Verhältnisse hat der Angeklagte auf das Opfer konzentriert." Und die Frau in aller Öffentlichkeit "stellvertretend bestraft". Für Anwalt Baumgärtl bleibt der genaue Beweggrund unklar, das Motiv offen. Er denkt über eine Revision nach.
Angeklagter lässt Angehörige mit Fragen zurück
Diffus wie seine Aussagen zur Motivlage bleibt der Gesichtsausdruck des Angeklagten bei der Urteilsbegründung. Er schaut nicht zu den Angehörigen, die ein paar Meter von ihm entfernt sitzen. Er hat sich in seinem Schlusswort bei ihnen entschuldigt. Ganz knapp. Erklärt hat er nichts. Sie bleiben zurück mit der offenen Frage: Warum musste ausgerechnet ihre Mutter, ihre Schwester sterben?