LG Hamburg: Mutter und Kind aus Rache getötet – Lebenslang für Doppelmord

Mitten in der Hamburger Innenstadt zieht ein Mann im April 2018 an einem belebten S-Bahnsteig ein Messer aus einem Rucksack, sticht auf seine einjährige Tochter und ihre Mutter ein. Zahlreiche Passanten werden Zeugen des grausamen Verbrechens an der Station Jungfernstieg. Das Landgericht Hamburg hat den Angeklagten am 15.02.2019 wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und zusätzlich die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen (Az.: 601 Ks 7/18).

Mord aus Rache

Der 34-Jährige habe seine Tochter Mariam zum "bloßen Objekt seiner Rache" an der fünffachen Mutter gemacht, sagt der Vorsitzende Richter Joachim Bülter in seiner zweistündigen Urteilsbegründung. Die Tat habe weit über den Kreis der Angehörigen hinaus für Erschütterung und Entsetzen gesorgt. Der aus dem westafrikanischen Niger stammende Mann hört mit ernster Miene ruhig zu, senkt immer wieder den Kopf.

Kinder leben bei unterschiedlichen Verwandten

Auf der Bank gegenüber sitzen ein Sohn und die Schwester der getöteten Frau, die ursprünglich aus Neustrelitz (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) stammt. Nach dem Verlust der Mutter leben die Kinder nach Angaben der Nebenklage-Vertreter nicht mehr zusammen, sondern bei unterschiedlichen Verwandten.

Heimtücke und sonstige niedrige Beweggründe

Die Ermordung des kleinen Mädchens sei eine besonders "plakative und demonstrative Tötungsart" gewesen, meint Bülter. Erst habe der Angeklagte seiner in einem Buggy sitzenden Tochter in den Bauch gestochen und ihr dann fast vollständig den Kopf abgetrennt. Als die Mutter zu ihrer Tochter eilen wollte, habe er voller Wut auch sie angegriffen. Die Mordmerkmale Heimtücke und sonstige niedrige Beweggründe seien erfüllt.

Sorgerechtsstreit führte zu Tat

Hintergrund der Tat war nach Überzeugung des Gerichts ein Sorgerechtsstreit. Mariam war das einzige gemeinsame Kind des Paares, das sich im Sommer 2017 endgültig getrennt hatte. Kurz darauf zog ein anderer Mann bei der Frau ein, der die Vaterrolle für das Kind übernahm. Darüber regte sich der Angeklagte auf, drohte, verlangte ein gemeinsames Sorgerecht für seine Tochter und Umgang, wann er es wollte. Immer wieder machten ihm die Mutter und die Behörden laut Strafkammer Angebote, um mit Mariam Kontakt haben zu können. Doch ihm reichte das nicht, zu einem Anti-Aggressionstraining ging er nicht.

Mit Tötung "Macht- und Besitzansprüche" demonstriert

Aus Sicht des Angeklagten habe seine Ex-Partnerin ihn von seinem Kind getrennt – deshalb habe er ihr das Kind nehmen wollen, erklärt der Vorsitzende Richter. Mit der Tötung der Tochter habe er seine "Macht- und Besitzansprüche" demonstrieren wollen. Einen Tag vor der Tat hatte ein Familiengericht dem Mann signalisiert, dass sein Antrag auf ein gemeinsames Sorgerecht wohl keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Am 12.04.2018 kam es nach einem Termin mit seinem Kind unter Aufsicht eines vom Jugendamt beauftragten Trägers zu dem Zusammentreffen an der S-Bahn.

Neuer Freund der Mutter bei Tat anwesend

Mit dabei waren ein dreijähriger Sohn sowie der ebenfalls aus Afrika stammende neue Freund der Frau. Die beiden Männer hätten sich oberflächlich aus einer Gruppe gekannt, die in Hamburg "Lampedusa-Gruppe" genannt wird, sagt Bülter. Diese Migranten kamen 2013 über die Mittelmeerinsel zunächst nach Italien. Eine befristete Aufenthaltsgenehmigung war dem Angeklagten den Behörden zufolge nach Bestätigung der Vaterschaft erteilt worden.

Täter legte Geständnis ab

"Ich wünsche Ihnen, (...) dass Sie zu etwas mehr Einsicht gelangen über das, was sie angerichtet haben", sagt der Richter zum Angeklagten. Der hatte zwar zu Beginn des Prozesses ein Geständnis verlesen lassen, geweint und von seiner Tat als einer "Sünde" gesprochen. Doch in den Wochen danach hatte er sich in dem Prozess immer wieder auffällig verhalten, sich gar geweigert, den Gerichtssaal zu betreten – sodass er zwischenzeitlich in Hand- und Fußfesseln vorgeführt werden musste. Während des Plädoyers der Nebenklage hatte er Zettel sortiert. Die Anwälte hatten ihm daraufhin Respektlosigkeit vorgeworfen.

Verteidiger hatte auf Totschlag plädiert

Ein Psychiater hatte eine Haftpsychose festgestellt, die sich aber erst nach der Tat entwickelt habe. "Die Schuldfähigkeit war nicht aufgehoben oder erheblich vermindert", ist der Vorsitzende Richter überzeugt. Der Verteidiger hatte eine Verurteilung wegen Totschlags erreichen wollen. Noch will er sich nicht zu der Frage äußern, ob er gegen das Urteil Rechtsmittel einlegt.

Redaktion beck-aktuell, Stephanie Lettgen, 18. Februar 2019 (dpa).