Prozess gegen Christian B. - Ablehnung der Richter scheitert

Nach der Aufhebung des Haftbefehls gegen den auch im Fall "Maddie" verdächtigen Christian B. wollten die Strafverfolger die Kammer schnell austauschen. Die zuständige Vertretungskammer sieht das aber anders.

Der Befangenheitsantrag gegen die gesamte Strafkammer im Prozess gegen den auch im Fall "Maddie" verdächtigen Christian B. ist gescheitert. Die zuständige Vertretungskammer habe die Forderung der Staatsanwaltschaft gegen die drei Richter als unbegründet zurückgewiesen, teilte das LG Braunschweig mit (Beschluss vom 22.07.2024 - 2 KLs 213 Js 52790/18 (15/22)). Die Staatsanwaltschaft hatte die Ablösung und Neubesetzung als Reaktion auf die Aufhebung des Haftbefehls gegen den Angeklagten gefordert.

Die Verteidigung von Christian B. hatte die Aufhebung zuvor beantragt, weil der Haftbefehl aus ihrer Sicht nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme keinen Bestand mehr haben konnte. Tatsächlich folgte die Strafkammer Anfang des Monats diesem Antrag, weil sie keinen dringenden Tatverdacht hinsichtlich sämtlicher Anklagevorwürfe sah. Der 47-jährige Deutsche bleibt aber im Gefängnis, weil er derzeit eine Haftstrafe wegen der Vergewaltigung einer US-Amerikanerin absitzt.

Im hiesigen Verfahren steht der mehrmals vorbestrafte Sexualstraftäter wegen fünf schwerer Sexualstraftaten unter Anklage. Es geht um drei Vergewaltigungen sowie zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Christian B. steht auch im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen Madeleine "Maddie" McCann unter Mordverdacht. Der Fall ist aber nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens in Braunschweig.

Staatsanwaltschaft meint, Kammer habe sich bereits auf Freispruch festgelegt

Die aus ihrer Sicht nötige Neubesetzung begründete die Staatsanwaltschaft mit der Befürchtung, dass die aktuelle Strafkammer ihre Meinung zur Tat- und Schuldfrage schon gebildet habe, obwohl die Beweisaufnahme nicht beendet sei. Die Anklagebehörde sprach von einer "ernsthaften Besorgnis", dass sich die Kammer schon auf ein "freisprechendes Beweisergebnis" festgelegt habe und die ausstehende Beweiserhebung keine Bedeutung mehr für ihre Einschätzung haben könnte.

Mit dieser Sichtweise überzeugte die Staatsanwaltschaft die Vertretungskammer in Braunschweig offensichtlich nicht. Diese Entscheidung sei zu erwarten gewesen, weil sie der ständigen Rechtsprechung des BGH entspreche, sagte Verteidiger Friedrich Fülscher. Von der Staatsanwaltschaft hieß es lediglich, man habe die Entscheidung zur Kenntnis genommen, mehr gebe es nicht zu sagen.

Über ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen eine einzelne Berufsrichterin will das Gericht noch gesondert entscheiden und informieren. Dabei geht es um mutmaßliche Äußerungen der Richterin vor Prozessbeginn, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sagte, ohne aber weitere Details zu nennen. Die Fortsetzung des Prozesses ist für den 5. August geplant.

LG Braunschweig, Beschluss vom 22.07.2024 - 2 KLs 213 Js 52790/18 (15/22)

Redaktion beck-aktuell, mam, 22. Juli 2024 (ergänzt durch Material der dpa).