Die CDU/CSU-Fraktion hat ihre Zurückhaltung bei noch zu beschließenden Vorhaben vor der Bundestagswahl am 23. Februar bekräftigt. Es gebe von der Seite der Union überhaupt kein Interesse, mit der Bundesregierung in aufwendige Gesetzgebungsverfahren einzutreten, machte Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) in Berlin deutlich. Im Bundestag gibt es nach dem Bruch der Ampel-Koalition keine festen Mehrheiten mehr. Möglich wäre, dass die FDP einzelnen Vorhaben trotz des Ausscheidens aus der Ampel noch zustimmt, dann wären Stimmen der Union nicht notwendig.
Frei erläuterte, dass eine vorgesehene Grundgesetzänderung zur Absicherung des BVerfG gegen politische Einflüsse vor Weihnachten kommen solle. Zu regeln seien außerdem noch einige zeitkritische Dinge wie auslaufende Bundeswehrmandate im ersten Quartal 2025.
Auch der CDU-Vorsitzende Friedlich Merz konnte sich vorstellen, einzelnen Vorhaben noch über die Ziellinie zu helfen, wie etwa der Absicherung des BVerfG. Vorhaben mit Auswirkungen auf den Bundeshaushalt wolle er in dieser Wahlperiode aber nicht mehr zu einer Mehrheit verhelfen. "Wir werden keinem Gesetzentwurf der SPD und der Grünen zustimmen, der haushaltswirksam ist", sagte Merz vor einer Fraktionssitzung in Berlin. "Wir haben weder einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2024, noch gibt es einen Haushalt für das Jahr 2025. Damit verbieten sich Beschlussfassungen, die haushaltswirksam sind."
Frei: "Nichts mit der Brechstange machen"
Frei sagte mit Blick auf angestrebte Entlastungen bei der sogenannten kalten Progression bei der Einkommensteuer: "Wir werden nichts mit der Brechstange machen." Die Union unterstütze das Ziel. Das noch von der Ampel vorgelegte Gesetz sei aber nicht zustimmungsfähig, da es andere Regelungen enthalte, die man ablehne. Da man die Entlastung zum 1. Januar 2025 auch rückwirkend regeln könne, gebe es keinen Zeitdruck. Auch die FDP kann sich eine Zustimmung zu diesem Vorhaben vorstellen. "Wenn da jetzt neue Signale kommen, die Kalte Progression durch den Deutschen Bundestag zu bringen und die hart arbeitende Mitte zu entlassen, ist das gut, dann werden wir darüber sprechen, auch insbesondere was das Kindergeld betrifft", sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr vor einer Fraktionssitzung in Berlin.
Frei berichtete, dass außerdem eine Befassung mit vier fraktionsübergreifenden Anträgen von Abgeordnetengruppen im Parlament anstehe - unter anderem zur Einführung einer Widerspruchsregelung für Organspenden und zum § 218 zu Schwangerschaftsabbrüchen. Er halte dies für absolut unangemessen, da die Zeit bis zur Wahl keine seriöse Beratung solcher grundlegenden Fragen mehr ermögliche. Frei machte deutlich, dass die Anträge zunächst in die Ausschüsse überwiesen und nach Beratungen dort mit einer Verfahrensmehrheit ins Plenum gebracht werden müssten. "Der Weg ist nicht vorgezeichnet, der ist offen".
Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen könnte noch kommen
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sieht dagegen eine Chance, dass es für den Gesetzesvorstoß einer Abgeordnetengruppe zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten eine Mehrheit geben könnte. Dröge sagte vor einer Fraktionssitzung in Berlin: "Mein Eindruck ist, dass es eine Mehrheit dafür geben könnte, in dieser Legislaturperiode das Gesetz im Deutschen Bundestag zu beschließen." Es gebe eine große parlamentarische Unterstützung für einen Gruppenantrag. "Ich gehöre zu einer ganz großen Gruppe von Abgeordneten, die in dieser Woche den Vorschlag machen werden, dass wir hier zu einer Reform kommen, die mehr Sicherheit und mehr Selbstbestimmung für Frauen ermöglicht", sagte Dröge.
Dürr machte deutlich, Abgeordneten seiner Fraktion bei einer Abstimmung freie Hand zu lassen. Es handle sich um ein medizinethisches Thema. "Aber gleichzeitig stelle ich die Frage, ob jetzt in der kurzen verbleibenden Zeit ausreichend Beratungszeit dafür ist."
Schwangerschaftsabbrüche sind derzeit laut § 218 StGB rechtswidrig. Tatsächlich bleiben sie in den ersten zwölf Wochen aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Über die Abschaffung des Paragrafen wird seit Jahren gestritten. Nach dem Vorschlag der Abgeordneten sollen Abtreibungen bis zur 12. Woche rechtmäßig werden. Die Pflicht zur Beratung bliebe bestehen, allerdings ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Wenn eine Abtreibung ohne Beratungsbescheinigung vorgenommen wird, soll sich künftig nur der Arzt oder die Ärztin strafbar machen. Die Frau bliebe straffrei.
Merz hält nichts von dem Vorstoß. Es solle versucht werden, "den Paragrafen 218 jetzt noch im Schnellverfahren zum Ende der Wahlperiode abzuschaffen". Es handele sich um ein Thema, "das wie kein zweites das Land polarisiert, das wie kein zweites geeignet ist, einen völlig unnötigen weiteren gesellschaftspolitischen Großkonflikt in Deutschland auszulösen". Dröge antwortete, wenn man so über das Thema spreche wie Merz, versuche man, Großkonflikte anzustacheln.