Neuerung im Zivilprozess: Ein "Tresor" für Geschäftsgeheimnisse
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Wenn Unternehmen vor Gericht stritten, mussten sie sich bislang gut überlegen, welche Informationen sie preisgaben. Nun gibt es eine neue Vorschrift zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, die auch Deutschland als Justizstandort nützen dürfte, erklären Felix Prozorov-Bastians und Markus Putz.

Morgen – am 1. April 2025 – tritt eine wichtige Neuerung für den Zivilprozess in Kraft: § 273a ZPO bietet einen verbesserten Schutz für Geschäftsgeheimnisse in Zivilgerichtsverfahren. Diese Regelung ist Teil des Justizstandort-Stärkungsgesetzes, mit dem die Bundesregierung Unternehmen mehr Sicherheit im Zivilprozess geben will. Doch was genau regelt der neue Paragraf, und welchen praktischen Nutzen bringt er?

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen war bislang eine Schwachstelle im Zivilprozessrecht. Unternehmen, die ihre vertraulichen Informationen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens offenlegen mussten, liefen Gefahr, dass diese von der Gegenseite oder sogar von Dritten genutzt wurden. Dies machte den ordentlichen Rechtsweg für Unternehmen teilweise unattraktiv. 

Mit § 273a ZPO wird dieser Schutz nun deutlich ausgeweitet. Das Ziel ist es, durch einen verbesserten Geschäftsgeheimnisschutz Deutschland als Justizstandort für wirtschaftsrechtliche Verfahren attraktiver zu machen.

Anwendungsbereich: Geschützte Informationen mit wirtschaftlichem Wert

Die neue Vorschrift gilt in allen Instanzen der Zivilgerichtsbarkeit, also vom Amtsgericht bis zum BGH. Nach § 37b EGZPO ist sie auch auf Verfahren anwendbar, die heute bereits anhängig sind.

Erfasst sind Informationen, die nach § 2 Nr. 1 GeschGehG als Geschäftsgeheimnis gelten könnten. Dazu zählen Informationen, die (1) nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich sind und daher wirtschaftlichen Wert haben, (2) durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt werden und (3) für deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse besteht.

Das Gericht prüft dann, ob diese Kriterien erfüllt sind. Dabei reicht es bereits aus, wenn die Möglichkeit besteht, dass es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt. Dies muss das betreffende Unternehmen allerdings glaubhaft machen.

Bis zu 100.000 Euro Geldstrafe für Verstöße

Der neue § 273a ZPO knüpft an die strengen Schutzvorschriften des GeschGehG an und macht diese im Zivilprozess anwendbar. Unternehmen können Informationen, die eigentlich zum Streitgegenstand gehören, ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen lassen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis sein können. Gibt das Gericht dem Antrag statt, müssen alle Verfahrensbeteiligten die Informationen vertraulich behandeln.

Das bedeutet: (1) Die geschützten Informationen dürfen außerhalb des Gerichtsverfahrens nicht genutzt oder weitergegeben werden. (2) Diese Geheimhaltungspflicht wirkt auch nach Verfahrensabschluss fort. (3) Bei Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht kann das Gericht eine Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft verhängen. (4) Das Gericht kann zusätzlich anordnen, dass nur ein eingeschränkter Personenkreis Zugang zur mündlichen Verhandlung oder zu bestimmten Dokumenten erhält. Ob das Gericht den Zugang zur mündlichen Verhandlung beschränkt, hängt von einer Interessenabwägung ab. Es ist nur möglich, soweit das Geheimhaltungsinteresse die prozessualen Rechte der Beteiligten übersteigt: das Recht auf rechtliches Gehör, auf effektiven Rechtsschutz und auf ein faires Verfahren. 

Auch Dritte, die ein Recht auf Akteneinsicht haben, bekommen dann nur einen Akteninhalt zur Verfügung gestellt, in dem die Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht wurden. Die Neuregelung erfüllt also ihren "Tresor-Mechanismus", indem sie sicherstellt, dass nur bereinigte Akteninhalte offengelegt werden und die geheimen Informationen weiterhin im "Tresor" bleiben. Mit Einführung des § 273a ZPO wird es also erschwert, dass geheime Informationen durch ein Gerichtsverfahren in falsche Hände geraten.

Bietet § 273a ZPO einen wirklichen Mehrwert?

Auch bisher konnten Gerichte nach den Vorschriften des GVG anordnen, dass eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Allerdings bestand darauf kein Anspruch. Mit § 273a ZPO ändert sich das nunmehr. Die Gerichte dürften regelmäßig nur noch einen eingeschränkten Ermessensspielraum haben: Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt, muss das Gericht dem Antrag in der Regel stattgeben. Lehnt es ab, kann die betroffene Partei das mit sofortiger Beschwerde anfechten.

§ 273a ZPO vermittelt zudem einen umfassenderen Schutz für Geschäftsgeheimnisse. Bisher konnten Gerichte nach §§ 172 Nr. 2, 173 Abs. 2 GVG nur anordnen, dass die mündliche Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Doch dieser Schutz greift erst ab deren Beginn und gilt nur für Informationen, die in der Verhandlung besprochen werden. Das Gericht kann zwar die Parteien zur Geheimhaltung verpflichten. Diese Verpflichtungen nach § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG sind aber begrenzt. Der Gegenpartei stand es danach bisher frei, die vertraulichen Informationen für eigene Zwecke zu nutzen.

Nach bisheriger Regelung (§ 172 Nr. 2 GVG) wurden auch nur "wichtige" Geschäftsgeheimnisse geschützt, wenn deren Offenlegung "überwiegende schutzwürdige Interessen" verletzen würde. Diese Einschränkungen entfallen bei der neuen Regelung. Einziges Kriterium ist nunmehr, dass glaubhaft gemacht werden muss, dass die betroffenen Informationen Gegenstand eines Geschäftsgeheimnisses sein können. 

Vorschrift dürfte Justizstandort Deutschland stärken

Die Einführung von § 273a ZPO ist ein bedeutender Fortschritt für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Zivilprozessen. Die Norm schließt eine bestehende Schutzlücke und macht den Rechtsweg für Unternehmen attraktiver. Gerade für Unternehmen, die innovative Technologien oder besondere Geschäftsstrategien schützen müssen, stellt die neue Regelung eine wesentliche Verbesserung dar.

Der neue § 273a ZPO bringt aber nicht nur mehr Schutz, sondern auch eine Vereinfachung für Unternehmen, im Zivilprozess ihrer Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich sensibler Informationen gerecht zu werden. Durch die klaren Vorgaben und Sanktionen erhöht sich die Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Gleichzeitig wird der Justizstandort Deutschland im internationalen Vergleich gestärkt. Unternehmen haben künftig mehr Möglichkeiten, ihre sensiblen Daten effektiv zu schützen, ohne befürchten zu müssen, dass diese im Zuge eines Rechtsstreits öffentlich werden.

Die Autoren Felix Prozorov-Bastians und Markus Putz arbeiten als Partner und Associate in der Sozietät GvW Graf von Westphalen in Frankfurt am Main. Sie beraten und vertreten Mandanten in Rechtsstreitigkeiten sowohl vor ordentlichen Gerichten als auch vor Schiedsgerichten. 

Gastbeitrag von Felix Prozorov-Bastians und Markus Putz, 31. März 2025.

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