Folgen der Weinstein-Affäre: Juristen warnen vor Hetzjagd auf Promis

In der Debatte um sexuelle Übergriffe gegen Frauen kommt es nach Ansicht deutscher Rechtsexperten immer wieder zu Vorverurteilungen mit verheerenden Folgen. "Die derzeitige Hetzjagd von Prominenten erfolgt unter Missachtung rechtsstaatlicher Grundsätze", sagte Medienrechtler Thomas Hoeren von der Universität Münster. "Man kann nur hoffen, dass das Thema wieder in sachliche Bahnen kommt. Sonst droht eine unkontrollierte Verdachtsaktion mit Diffamierungen, die der McCarthy-Ära entsprechen."

Verweis auf Unschuldsvermutung

Mit dem Namen des Senators Joseph McCarthy verbindet sich eine Jagd auf Kommunisten im Amerika der 1950er Jahre. "Damit soll nicht abgelenkt werden von der Tatsache, dass in manchem Vorfall tatsächlich ein harter Kern an strafrechtswürdigen Fehlverhalten vorliegt", betonte Hoeren. Auch die Strafrechtlerin Jenny Lederer aus Essen beklagte eine mediale Vorverurteilung gerade mit Blick auf die Möglichkeiten des Internets und der sozialen Medien, die "besorgniserregende Ausmaße" annehme. "Nicht wiedergutzumachende Schäden, existenzvernichtende Folgen sind zu befürchten und bereits zu beobachten – ohne dass die Vorwürfe geklärt wären." Lederer ist Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins. "Für die Aufklärung von möglicherweise strafrechtlich relevanten Vorwürfen gibt es einen Strafprozess, mit seinen verfahrens- und verfassungsrechtlichen Garantien, unter anderem und hier vor allem: der Zweifelsgrundsatz." Eine faire Verteidigungsmöglichkeit im Rahmen der öffentlichen Vorverurteilung existiere kaum. "Das Urteil scheint schon gesprochen", so Lederer.

Warnung vor "lebenslaufvernichtenden" Folgen für Beschuldigte

Christian Schertz, der als Anwalt für Presse- und Medienrecht viele Prominente vertritt, hatte sich bereits zu Beginn der Woche im "Deutschlandfunk" kritisch zur Debatte geäußert. "Der Rechtsstaat sagt: Wenn dir jemand etwas angetan hat, dann gibt es dafür die Institutionen. Das ist die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Da kannst du hingehen und deine Strafanzeige stellen." Dann werde geprüft und ein Ermittlungsverfahren bei einem Anfangsverdacht eingeleitet, so Schertz. "Jeden zu nennen, dort ist das und jenes passiert – das ist, ich kann es nicht ändern, es ist rechtswidrig." Folgen für Beschuldigte seien erheblich und "lebenslaufvernichtend".

Redaktion beck-aktuell, 16. November 2017 (dpa).