FG Münster: Keine Geschäftsführer-Haftung für Lohnsteuerbeträge während der Eigenverwaltung bei Überweisung auf Treuhandkonto nach rechtlicher Beratung

GmbH-Geschäftsführer haften nicht für während der Eigenverwaltung fällig gewordene Lohnsteuerbeträge, die sie aufgrund eines zuvor eingeholten eingehenden Rechtsrats zunächst auf ein Treuhandkonto überwiesen haben. Dies hat das Finanzgericht Münster mit zwei Urteilen vom 23.06.2017 entschieden. Denn ihnen könne keine grobe Fahrlässigkeit (§ 69 AO) vorgeworfen werden, wenn sie sich beratungskonform verhalten haben (Az.: 3 K 1537/14 L und 3 K 1539/14 L, BeckRS 2017, 118888 und BeckRS 2017, 119053).

Lohnsteuerbeträge während Eigenverwaltung nach anwaltlicher Beratung auf Treuhandkonto eingezahlt

Die Kläger der beiden Verfahren waren zur Restrukturierung und Sanierung einer GmbH als deren Geschäftsführer eingesetzt worden ("Turnaround-Manager"). Ihrem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung folgte das Insolvenzgericht und setzte einen vorläufigen Sachwalter ein. Nach Stellung des Insolvenzantrags fällig gewordene Lohnsteuerbeträge zahlten die Kläger auf ein durch eine Rechtsanwaltskanzlei eingerichtetes Treuhandkonto ein, nachdem sie sich durch diese zuvor eingehend bezüglich der Haftungsfragen hatten beraten lassen.

GmbH-Geschäftsführer sollen für Lohnsteuern haften

Durch die Überweisung standen auf dem Geschäftskonto der GmbH keine Mittel mehr zur Verfügung, so dass der Lastschrifteinzug durch das Finanzamt scheiterte. Das Finanzamt musste die spätere Zahlung der Lohnsteuer durch den vorläufigen Sachwalter aufgrund einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Insolvenzanfechtung wieder zurückgewähren. Es nahm daraufhin beide Kläger in Haftung. Dagegen klagten diese beim FG.

FG verneint grobe Fahrlässigkeit wegen beratungskonformen Verhaltens

Das FG hat den Klagen stattgegen und den Haftungsbescheid aufgehoben. Zwar hätten die Kläger gegen ihre Mittelvorsorgepflicht verstoßen, indem sie den Einzug der Lohnsteuer durch die Separierung der Mittel auf dem Treuhandkonto verhindert hätten. Dass eine Zahlung im Insolvenzverfahren anfechtbar gewesen wäre, stehe der Haftung ebenfalls nicht entgegen, weil hypothetische Kausalverläufe unbeachtlich seien. Allerdings könne den Klägern keine grobe Fahrlässigkeit (§ 69 AO) vorgeworfen werden, weil sie sich an den eingeholten Rechtsrat gehalten und keinen Anlass gehabt hätten, diesen in Zweifel zu ziehen. Mangels eigener steuerlicher Sachkunde seien sie verpflichtet gewesen, fachlichen Rat einzuholen.

Kläger durften sich auf Rechtsrat verlassen

Nach der Vernehmung zahlreicher Zeugen kam das FG zu der Überzeugung, dass die Rechtsanwälte durchgängig die Auffassung vertreten hätten, die Lohnsteuer dürfe nach der Antragstellung nicht mehr beglichen werden, da ihre insolvenzrechtlichen Pflichten den steuerrechtlichen Pflichten vorgingen. Selbst wenn man diese Auffassung als hoch risikobehaftet oder sogar falsch ansehen sollte, hätten sich die Kläger hierauf verlassen dürfen, so das FG. Ob sich die Kläger tatsächlich in einer entschuldigenden Pflichtenkollision aufgrund von im Rahmen der Eigenverwaltung widerstreitenden Pflichten steuerrechtlicher und insolvenzrechtlicher Natur befunden haben, ließ das FG daher offen.

FG Münster, Urteil vom 23.06.2017 - 3 K 1537/14 L

Redaktion beck-aktuell, 17. August 2017.