Im Fall des getöteten saudischen Journalisten
Jamal Khashoggi hat die US-Regierung Sanktionen gegen 17 ehemalige
saudische Regierungsmitarbeiter verhängt. Sie seien "an der
abscheulichen Tötung von Jamal Khashoggi" beteiligt gewesen, teilte
US-Finanzminister Steven Mnuchin am 15.11.2018 in Washington zur
Begründung mit. Damit zielen die Vereinigten Staaten auf jene Saudis,
die auch schon von der Regierung in Riad als Schuldige dargestellt
oder mit der Tat in Verbindung gebracht wurden. Der saudische
Generalstaatsanwalt hatte nur wenige Stunden zuvor die Todesstrafe
für fünf mutmaßliche Beteiligte gefordert.
Enger Vertrauter des Kronprinzen betroffen
Der prominenteste von den Sanktionen Betroffene ist Saud bin Abdullah
al-Kahtani. Er war zuständig für Medienangelegenheiten am Königshof
und wurde in der Nacht gefeuert, in der Riad den Tod Khashoggis
eingeräumt hatte. Al-Kahtani gilt als enger Vertrauter von Kronprinz
Mohammed bin Salman. Das Finanzministerium teilte mit, die Operation
zur Tötung Khashoggis sei von Al-Kahtanis Untergebenem Maher Mutreb
koordiniert und ausgeführt worden.
Sanktionen gegen saudischen Generalkonsul
Involviert sei außerdem ein Team von 14 weiteren Saudis gewesen. "Diese Personen, die einen Journalisten, der in den Vereinigten
Staaten lebte und arbeitete, angriffen und brutal töteten, müssen für
ihre Taten die Folgen tragen", sagte Mnuchin. Auch gegen den
saudischen Generalkonsul in Istanbul, Mohammed al-Otaibi, wurden
Sanktionen verhängt. Er verließ die Türkei schon vor gut einem Monat
und trat seitdem nicht mehr öffentlich auf.
Saudi-Arabien gab Tötung Khashoggis zu
Der Regierungskritiker Khashoggi hatte am 02.10.2018 das Konsulat
Saudi-Arabiens in Istanbul betreten, um Dokumente für seine Hochzeit
abzuholen. Er tauchte nie wieder auf. Erst unter immensem
internationalen Druck gab Saudi-Arabien die Tötung des im Exil
lebenden Khashoggi zu und leitete Ermittlungen ein.
Al-Kahtani als Mitwisser bezeichnet
Riad hatte danach zunächst 18 Verdächtige – darunter die 15
Mitglieder des nach Istanbul gereisten Spezialteams – festnehmen
lassen. Al-Kahtani wurde von einem saudischen Offiziellen in der "New
York Times" als Mitwisser bezeichnet.
Besitz der betroffenen in den USA wird eingefroren
Besitz der Betroffenen in den USA wird eingefroren. US-Staatsbürger
dürfen mit ihnen außerdem keine Geschäfte mehr machen. Mnuchin
forderte die saudische Regierung dazu auf, "angemessene Schritte zu
unternehmen, um Angriffe auf politische Dissidenten oder Journalisten
zu beenden". Auf US-Präsident Donald Trump war zunehmend Druck
ausgeübt worden, im Fall Khashoggi Sanktionen auszusprechen.
Al-Asiri nicht auf US-Sanktionsliste
Neben den fünf geforderten Todesurteilen verkündete der saudische
Generalstaatsanwalt Saud al-Mudschib zudem, dass insgesamt elf –
namentlich nicht genannte – saudische Männer angeklagt seien. Als
Drahtzieher gelte der ehemalige Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed
al-Asiri. Al-Asiri stand allerdings nicht auf der US-Sanktionsliste.
Kronprinz angeblich unbeteiligt
Außenminister Adel al-Dschubair beteuerte erneut, dass
Kronprinz Mohammed bin Salman nichts von der Mission gewusst habe: "Seine königliche Hoheit, der Kronprinz, hatte nichts mit dieser
Sache zu tun". Wegen der internationalen Empörung will das Königreich
den Thronfolger nach Einschätzung von Beobachtern aus der Schusslinie
heraushalten.
Sterbliche Überreste bislang unauffindbar
Nach saudischer Darstellung vom 15.11.2018 gab Ex-Geheimdienstler
Al-Asiri in Eigenregie den Befehl an das 15-köpfige Kommando,
Khashoggi im Konsulat zu überzeugen, mit ihnen nach Saudi-Arabien zu
reisen. Die Situation eskalierte demnach und dem Kolumnisten der "Washington Post" sei eine Injektion verabreicht worden, an der er
gestorben sei. Seine Leiche sei zerstückelt, aus dem Konsulat
gebracht und einem lokalen Mitarbeiter übergeben worden. Es sei
unklar, wo sich die sterblichen Überreste befänden.
Zweifel an Rolle des Kronprinzen
Internationale Experten wie auch westliche Diplomaten bezweifeln,
dass eine solche Mission im autokratischen Saudi-Arabien ohne Wissen
des mächtigen Kronprinzen Mohammed möglich gewesen wäre. Der erst
33-Jährige hatte seinen enormen Einfluss im Land in den vergangenen
Jahren immer weiter ausgebaut und enge Vertraute an allen
Schaltstellen des Landes eingesetzt – zu ihnen gehörte auch der
angebliche Drahtzieher Al-Asiri.
Direkte Verbindungen festgestellt
Bei mehreren der 15 Mitglieder des Spezialteams wurde ebenfalls eine
direkte Verbindung zu Mohammed bin Salman hergestellt. Die "New York
Times" hatte am 13.11.2018 zudem berichtet, amerikanische
Geheimdienstmitarbeiter gingen davon aus, dass die Täter nach der
Tötung Khashoggis den Kronprinzen indirekt über die Ausführung
benachrichtigten.
Türkei bezweifelt Stellungnahme saudischen Generalstaatsanwalts
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu nannte die Stellungnahme
des saudischen Generalstaatsanwalts "nicht zufriedenstellend". Er
äußerte Zweifel daran, dass Khashoggi getötet worden sei, nachdem er
sich geweigert habe, mit nach Saudi-Arabien zu reisen. "Es war vorab
geplant, wie dieser Mann getötet und zerstückelt werden sollte."
Erkenntnisse als nicht zufriedenstellend bewertet
Eine Reihe von Experten bewerteten die saudischen Erkenntnisse als
nicht zufriedenstellend. "Riad versucht, einige Beamte unter den Bus
zu werfen, um diesen Fall hinter sich zu lassen", schrieb Analyst
H.A. Hellyer von der Denkfabrik Atlantic Council. Er mutmaßte, dass
Ankara, Washington und auch Europa bald wieder bereit sein würden,
mit Mohammed bin Salman zusammenzuarbeiten.
Verhalten des US-Präsidenten maßgeblich
Die US-Sanktionen der Trump-Administration scheinen dem Narrativ
Riads zu folgen. Das Verhalten des US-Präsidenten, einer der engsten
Verbündeten Riads, wird als ausschlaggebend für die Entwicklung des
Falls gesehen. Trump hatte sich mit Sanktionen bis jetzt
zurückgehalten und hatte dabei auf die guten Geschäfte,
Waffenverkäufe und die Stabilität in Nahost verwiesen.