Extremisten im öffentlichen Dienst: Radikalenerlass für die AfD?
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Viele Bundesländer wollen sich wappnen, um Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten. Die bloße Mitgliedschaft in der AfD reicht nicht, um Bewerber abzulehnen, erklärt Joachim Wieland. Doch für sie könne und müsse es künftig trotzdem schwer werden.

Für viel Aufregung sorgte kürzlich ein Vorstoß der rheinland-pfälzischen Landesregierung, die ankündigte, künftig keine Mitglieder der AfD mehr im öffentlichen Dienst einstellen zu wollen. Wenngleich die Regierung inzwischen wieder zurückgerudert ist, bleibt die Thematik virulent. Eine Reihe von Bundesländern versucht derzeit, sich gegen Extremisten in den eigenen Reihen zu wappnen, teils mit Regelabfragen beim Verfassungsschutz oder mit ausgebauten Verfassungstreue-Checks. Die AfD hat laut Süddeutscher Zeitung inzwischen eine Handreichung erarbeitet, die ihren Mitgliedern im Beamtenverhältnis empfiehlt, mit "Äußerungen im verfassungskonformen Bereich zu bleiben". 

Nach der neuen Verwaltungsvorschrift in Rheinland-Pfalz gibt schon die bloße Mitgliedschaft in der AfD Anlass zu Zweifeln, ob die betreffenden Personen jederzeit uneingeschränkt für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten. Als Folge einer missverständlichen Kommunikation des Innenministeriums konnte der Eindruck entstehen, dass allein die Mitgliedschaft in der AfD ohne eine Prüfung der Gesamtumstände im Einzelfall einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst des Landes entgegenstehe. Mittlerweile hat das Ministerium klargestellt, dass die Parteimitgliedschaft nicht automatisch den Zugang zum öffentlichen Dienst versperrt. Sie gibt nur Anlass zu einer Einzelfallprüfung. Die Frage, ob eine solche erforderlich ist, wird sich auch im Bund und in anderen Ländern stellen.

Parteiverbot und Sanktionierung von Parteimitgliedern

Seit längerer Zeit wird schon darüber diskutiert, ob gegen die AfD ein Verbotsverfahren vor dem BVerfG eingeleitet werden soll. Die Diskussion hat sich intensiviert, seit das Bundesamt für Verfassungsschutz die Partei öffentlich als gesichert rechtsextremistisch qualifiziert hat. Nachdem die AfD hiergegen mit einem Eilantrag vorgegangen ist, verpflichtete sich das Bundesamt allerdings, vor einer gerichtlichen Entscheidung seine Bewertung nicht öffentlich zu wiederholen. Unter diesen Umständen stellt sich für die Regierungen von Bund und Ländern die Frage, ob und welche Konsequenzen sich aus der Mitgliedschaft von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in der AfD ergeben.

Ausgangspunkt für entsprechende Erwägungen muss sein, dass die Entfernung von Mitgliedern der AfD aus dem öffentlichen Dienst kein Ersatz für ein Parteiverbotsverfahren sein darf, dessen Erfolgsaussichten ungewiss erscheinen. Die hohen Hürden eines solchen Verfahrens dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass statt der Partei ihre Mitglieder sanktioniert werden. Auch die Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen extremistischen Partei ist schließlich grundrechtlich geschützt. Zudem hat eine Partei einen Rechtsanspruch darauf, sich in einem formalen Verfahren vor dem BVerfG gegen ein Verbot zu wehren. Ein solches politisch und juristisch riskantes Manöver darf die Politik nicht umgehen, indem sie Mitglieder der Partei aus dem öffentlichen Dienst fernhält.

Rechtliche Relevanz der Parteimitgliedschaft

Das bedeutet aber nicht, dass die Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei, die nicht verboten ist, für die Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst irrelevant wäre. Vielmehr müssen alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Die durch das Grundgesetz geschaffene freiheitliche Demokratie ist auch eine wehrhafte Demokratie. Sie folgt dem Leitspruch: Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit.

Die Mitgliedschaft in einer extremistischen Partei gibt in der Konsequenz auch dann, wenn die Partei nicht verboten ist, Anlass für eine eingehende Prüfung. Ausgeschlossen ist aber ein Automatismus, wonach die Mitgliedschaft immer zu einem Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst führt. Sie gibt nur Anlass, im Einzelfall nachzuprüfen, ob trotz der Zugehörigkeit zu einer extremistischen Partei davon ausgegangen werden kann, dass das Mitglied jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt. Wer Mitglied in einer Partei ist, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert extremistisch qualifiziert hat, wird also erheblichen Begründungsaufwand treiben müssen, um seine Eignung für den Staatsdienst unter Beweis zu stellen. Dazu wird ein bloßes Lippenbekenntnis nicht ausreichen. Vielmehr wird es erforderlich sein, dass die Betroffenen substantiiert darlegen, in welchen Punkten sich ihre eigenen Überzeugungen von denen ihrer Partei unterscheiden und warum sie deshalb in ihrem Handeln auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.

Die Europäische Konvention für Menschenrechte, die auch für Mitglieder einer extremistischen Partei in Art. 10 die Meinungsfreiheit garantiert, und das Grundgesetz, das den Zugang zum öffentlichen Dienst in Art. 33 Abs. 2 nach Eignung gewährleistet, schützen Mitglieder wie auch Anwärterinnen und Anwärter des öffentlichen Dienstes vor einer automatischen Sanktionierung einer Parteimitgliedschaft. Sie befreien sie aber nicht von der Notwendigkeit, ihren Dienstherren die Gewissheit zu vermitteln, dass sie im Dienst und auch außerhalb des Dienstes jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintreten werden. Das gilt für Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten und auch für Verwaltungsangestellte mit reinen Bürotätigkeiten, kurz: für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Der Staat ist nicht verpflichtet und nicht berechtigt, Personen zu beschäftigen, die nicht aktiv für seine freiheitlich-demokratische Ordnung eintreten.

Wehrhafte Demokratie

Das Grundgesetz ist in Reaktion auf die Erfahrungen der Weimarer Republik als wehrhafte Verfassung konzipiert, deren Freiheitsverheißung sich nicht auf die Feinde der Freiheit erstreckt. Wenn sie ihre Grundrechte wie die Meinungsfreiheit oder die Vereinigungsfreiheit zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Ordnung missbrauchen, verwirken sie aufgrund von Art. 18 GG diese Grundrechte nach Maßgabe einer Entscheidung des BVerfG. Vereinigungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, sind verboten (Art. 9 Abs. 2 GG). Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger darauf zielen, die freiheitliche demokratische Ordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, sind verfassungswidrig und können vom BVerfG verboten werden; sie sind von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen (Art. 21 Abs. 2 ff. GG). Darin äußert sich die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes. Das Grundgesetz verpflichtet also den Staat, nicht vor den Feinden der Freiheit zurückzuweichen. 

Der Staat ist aber auch verpflichtet, sich beim Kampf für die freiheitliche demokratische Ordnung selbst strikt an die Vorgaben der Verfassung zu halten. Der Schutz der Freiheit rechtfertigt nicht jede beliebige, wenn auch vielleicht sogar durchaus effektive Freiheitsbeschränkung. Dementsprechend darf nur das BVerfG über die Verfassungswidrigkeit einer politischen Partei entscheiden. Der Staat darf nicht anstelle eines mühsam zu erreichenden Parteiverbots Sanktionen gegen Mitglieder einer nicht verbotenen extremistischen Partei ergreifen. Er muss aber sicherstellen, dass alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes jederzeit die Gewähr dafür bieten, sich aktiv für die verfassungsmäßige Ordnung einzusetzen. Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei befreit Angehörige des öffentlichen Dienstes nicht von ihrer Treuepflicht gegenüber dem freiheitlichen demokratischen Staat.

Prof. Dr. Joachim Wieland forscht und lehrt zu Rechtsfragen des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, zum Finanz- und Steuerrecht und zum öffentlichen Wirtschaftsrecht. Er ist Mitglied des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen. 

Gastbeitrag von Prof. Dr. Joachim Wieland, 29. Juli 2025.

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