EuGH: Polens Luftqualität unzureichend

Polen hat in Bezug auf seine Luftqualität gegen das Unionsrecht verstoßen. Denn die Grenzwerte für PM10-Konzentrationen seien in diesem Mitgliedstaat fortdauernd überschritten worden, so der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 22.02.2018 (Az.: C-336/16).

Partikel PM10 beinhaltet für Lunge gefährliche Kleinstteilchen

Die am 11.06.2008 in Kraft getretene Richtlinie 2008/50/EG kodifiziert die früheren Rechtsakte im Bereich der Beurteilung und der Kontrolle der Luftqualität. Sie legt unter anderem die Grenzwerte und Alarmschwellen für den Schutz der menschlichen Gesundheit fest. Das Partikel PM10 setzt sich aus einem Gemisch in der Luft befindlicher organischer und anorganischer Stoffe zusammen. Es kann toxische Substanzen wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Schwermetalle, Dioxin und Furan enthalten. Es enthält Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als zehn Mikrometern, die in die oberen Atemwege und in die Lunge gelangen können.

Kommission klagte gegen Polen wegen Verstoßes gegen Grenzwerte

Da die Europäische Kommission der Auffassung war, dass Polen die Tages- und Jahresgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in mehreren Gebieten und Ballungsräumen nicht einhalte und die Bestimmungen der Richtlinie hinsichtlich der Luftqualitätspläne nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe, reichte sie beim Gerichtshof eine Vertragsverletzungsklage gegen diesen Staat ein.

EuGH stellt fortdauernde Überschreitung der Grenzwerte fest

Der EuGH betont zunächst, dass die Überschreitung der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft für sich genommen für die Feststellung einer Vertragsverletzung ausreicht. Im vorliegenden Fall zeigten die Daten, die aus den von Polen vorgelegten Jahresberichten über die Luftqualität hervorgehen, dass dieser Mitgliedstaat in den Jahren 2007 bis einschließlich 2015 zum einen in 35 Gebieten die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen und zum anderen in neun Gebieten die Jahresgrenzwerte für solche Konzentrationen regelmäßig überschritten hat. Daraus folge, dass die so festgestellte Überschreitung als fortdauernd anzusehen sei.

Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten

Des Weiteren ruft der Gerichtshof hinsichtlich der Richtlinienbestimmung, wonach die Luftqualitätspläne im Fall der Überschreitung der Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, geeignete Maßnahmen enthalten müssen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann, in Erinnerung, dass diese Pläne nur auf der Grundlage eines Ausgleichs zwischen dem Ziel der Verringerung der Gefahr der Verschmutzung und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen erstellt werden können. Im vorliegenden Fall obliege Polen seit dem 11.06.2010 die Verpflichtung, im Fall von Überschreitungen der Grenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft Luftqualitätspläne zu erstellen. In den von Polen später erlassenen Plänen seien für die Beendigung dieser Überschreitungen Fristen festgelegt worden, die in den verschiedenen Gebieten zwischen 2020 und 2024 ablaufen sollten.

Weniger lange Fristen wären möglich gewesen

Polen trage vor, dass diese Fristen in vollem Umfang an das Ausmaß der strukturellen Änderungen, die nötig seien, um diese Überschreitungen abzustellen, angepasst seien, wobei es unter anderem Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den sozioökonomischen und haushaltspolitischen Herausforderungen der durchzuführenden umfangreichen technischen Investitionen hervorhebt. Nach Ansicht des Gerichtshofs können solche Umstände zwar berücksichtigt werden. Es sei jedoch nicht nachgewiesen worden, dass diese Schwierigkeiten, die keinen Ausnahmecharakter haben, von der Art wären, dass sie weniger lange Fristen unmöglich gemacht hätten. Daher kann nach Ansicht des Gerichtshofs das Vorbringen Polens als solches nicht so lange Fristen für die Beendigung dieser Überschreitungen rechtfertigen.

Richtlinie nur unzureichend in polnisches Recht umgesetzt

Im Übrigen stellt der Gerichtshof fest, dass Polen dadurch gegen das Unionsrecht verstoßen hat, dass in vier Gebieten die Tagesgrenzwerte für PM10-Konzentrationen in der Luft (zuzüglich der Toleranzmarge) überschritten wurden. Schließlich legt der EuGH dar, dass keiner der von Polen auf nationaler oder regionaler Ebene erlassenen Luftqualitätspläne ausdrücklich erwähnt, dass sie die Begrenzung der Überschreitungen der Grenzwerte auf einen so kurz wie möglich gehaltenen Zeitraum erlauben müssen, wie dies jedoch verlangt wird. Unter diesen Umständen – und in Anbetracht der Tatsache, dass den ersten drei Rügen stattgegeben wurde – ergebe sich, dass die Umsetzung der Richtlinie in das polnische Recht nicht geeignet ist, die vollständige Anwendung der Richtlinie tatsächlich zu gewährleisten.

EuGH, Urteil vom 22.02.2018 - C-336/16

Redaktion beck-aktuell, 22. Februar 2018.