Hypothekendarlehen: Mindestzinssatzklauseln per Verbandsklage überprüfbar

Die Transparenz von Min­dest­zins­satz­klau­seln in Verträgen über Hypothekendarlehen kann per Ver­bands­kla­ge über­prüft wer­den, auch wenn sich diese gegen eine Vielzahl (spa­ni­scher) Banken rich­tet. Das hat der EuGH entschieden. Eine Änderung der Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers könne berücksichtigt werden.

In Spanien schlossen zahlreiche Finanzinstitute mit Verbrauchern Hypothekendarlehensverträge mit variablem Zinssatz, die standardmäßig Mindestzinssatzklauseln enthielten. Mit ihnen wurde ein Mindestsatz festgelegt, unter den der variable Zinssatz nicht absinken durfte, auch wenn der Referenzsatz – in der Regel der Euribor – diesen Mindestsatz unterschritt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher profitierten somit nicht, als die Referenzzinssätze deutlich unter diesen Schwellenwert sanken. Ein spanischer Verband erhob eine Verbandsklage gegen 101 Finanzinstitute in Spanien. Er klagte auf Unterlassung der Verwendung von Mindestzinssatzklauseln und auf Rückzahlung der nach diesen Klauseln gezahlten Beträge. Nach Aufrufen in den nationalen Medien schlossen sich 820 Verbraucher der Verbandsklage an. 

Der spanische Oberste Gerichtshof, bei dem die Sache inzwischen liegt, schaltete den EuGH ein. Er bezweifelte wegen der großen Zahl beteiligter Verbraucher und Banken, dass sich eine Verbandsklage eignet, um die Mindestzinssatzklauseln auf ihre Transparenz zu überprüfen. Das sieht der EuGH anders (Urteil vom 04.07.2024 - C‑450/22): Nichts in der Richtlinie deute darauf hin, dass die gerichtliche Transparenzkontrolle im Rahmen einer Verbandsklage ausgeschlossen wäre. Die Kontrolle müsse lediglich an die Besonderheiten von Verbandsklagen angepasst werden und sich auf die vertraglichen und vorvertraglichen Standardpraktiken des Gewerbetreibenden gegenüber dem Durchschnittsverbraucher konzentrieren. 

Die Voraussetzungen der Richtlinie für eine Verbandsklage gegen mehrere Gewerbetreibende sieht der EuGH im vorliegenden Fall erfüllt: Verklagt seien Gewerbetreibende desselben Wirtschaftssektors, nämlich Kreditinstitute. Dass die Vielzahl der beteiligten Banken und Verbraucher das Verfahren komplex mache und das Gericht vor organisatorische Herausforderungen stelle, dürfe die Wirksamkeit der Verbraucherrechte aus der Richtlinie nicht beeinträchtigen. Die streitigen Mindestzinssatzklauseln scheinen dem EuGH auch ähnlich zu sein. Die Klauseln seien nicht schon deshalb unähnlich, weil die Verträge zu verschiedenen Zeitpunkten oder unter der Geltung verschiedener Regelungen geschlossen wurden. 

Ferner sei der Durchschnittsverbraucher auch dann Maßstab der Transparenzkontrolle, wenn heterogene Verbrauchergruppen betroffen sind. Die Gesamtwahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers könne sich aber ändern. Der spanische Oberste Gerichtshof müsse daher prüfen, ob der die 2000er Jahre kennzeichnende Zusammenbruch der Zinssätze oder sein Urteil zur fehlenden Transparenz der Mindestzinssatzklauseln vom Mai 2013 eine Änderung des Aufmerksamkeitsgrads und des Informationsstands des Durchschnittsverbrauchers zum Zeitpunkt des Abschlusses eines Hypothekendarlehensvertrags zur Folge haben konnte. 

EuGH, Urteil vom 04.07.2024 - C-450/22

Redaktion beck-aktuell, hs, 4. Juli 2024.