Kampf um die Deutungshoheit: Bessere Chancen für Diesel-Käufer nach EuGH-Urteil?

Der EuGH habe "zentrale Rechtsfragen im VW-Abgasskandal neu bewertet": Stiftung Warentest sieht entgegen der Einschätzung von VW erhebliche Auswirkungen. Zwei Millionen Käufer mehr von nachgerüsteten oder gebrauchten Fahrzeugen könnten nun leichter Ansprüche durchsetzen.

Anfang August hatte der EuGH die bisherige Rechtsprechung des BGH zum Differenzschaden im VW-Abgasskandal eigentlich im Wesentlichen bestätigt. Über die Tragweite dieses Urteils ist nun aber Streit entbrannt. "Entgegen der Aussagen von Volkswagen hat das Urteil weitreichende Bedeutung für deutsche Autokäufer", meint Christoph Herrmann, Jurist bei der Stiftung Warentest. Nach der Entscheidung des EuGH könnten demnach deutlich mehr Betroffene eine Entschädigung verlangen, als bislang von deutschen Gerichten angenommen worden sei.

Konkret stellten die Richterinnen und Richter aus Luxemburg klar, dass ein Anspruch nicht allein deshalb entfalle, weil das Kraftfahrtbundesamt die Motorsteuerung genehmigt habe. VW hatte deshalb mit einem unvermeidbaren Verbotsirrtum argumentiert, der einen Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB ausschließe. Laut dem Verbraucherschützer Herrmann entfällt damit eine entscheidende Argumentation der Automobilindustrie.

In seiner Entscheidung hatte der EuGH auch bestätigt, dass es zulässig sei, den Schadensersatz auf 15 Prozent des Kaufpreises zu begrenzen. Dies dürfe allerdings nicht verhindern, dass die Entschädigung in jedem Fall eine angemessene Wiedergutmachung des tatsächlich erlittenen Schadens gewährleiste. Doch schon die 15 Prozent lägen deutlich über den bisher in Deutschland üblichen Werten von fünf bis zehn Prozent, meint Herrmann. Auch dürfe die Entschädigung nicht vollständig entfallen, selbst wenn das Fahrzeug bereits viel gefahren worden sei.

Nach Einschätzung von Stiftung Warentest betrifft dies nicht nur laufende Verfahren. Auch Käuferinnen und Käufer von Gebrauchtwagen könnten in vielen Fällen profitieren. Die konkrete Auswirkung auf die deutsche Rechtspraxis werde sich jedoch erst in künftigen Urteilen der nationalen Gerichte zeigen.

Redaktion beck-aktuell, cil, 13. August 2025.

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