Einer Mitarbeiterin der deutschen Privatbank Quirin-Bank unterlief beim Online-Recruiting ein folgenschwerer Fehler: Über das Karrierenetzwerk XING wollte sie einem Bewerber mitteilen, dass sein Gehaltswunsch zu hoch sei, schickte die Nachricht jedoch nicht an ihn, sondern an einen früheren Kollegen des Mannes. Der ehemalige Kollege leitete die Mitteilung an den Bewerber weiter und fragte diesen, ob er auf Stellensuche sei. Der Mann war darüber nicht amüsiert und verklagte die Bank wegen eines Datenschutzverstoßes.
Das LG Darmstadt gab dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch teilweise statt und verurteilte die Bank zudem zur Zahlung von 1.000 Euro Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens des Bewerbers. Nachdem das OLG Frankfurt a.M. dieses Urteil korrigiert hatte, legte der Mann Revision zum BGH ein, der daraufhin dem EuGH mehrere Fragen im Hinblick auf die DS-GVO vorlegte. Am Donnerstag kam die Antwort aus Luxemburg zu einigen umstrittenen Themen (Urteil vom 04.09.2025 - C-655/23).
"Negative Gefühle" können Schaden begründen
Im Zentrum des Verfahrens stand neben dem Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten die immer wieder heiß diskutierte Frage, unter welchen Voraussetzungen Art. 82 DS-GVO einen immateriellen Schadensersatz gewährt. Der EuGH bestätigte seine bisherige Rechtsauffassung, wonach ein Schadensersatz aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit ("Bagatellgrenze") erreicht.
Der Begriff "immaterieller Schaden" umfasse sogar negative Gefühle, welche die betroffene Person infolge einer unbefugten Übermittlung ihrer personenbezogenen Daten an einen Dritten empfinde, so der EuGH. Darunter fielen auch Sorge oder Ärger, die durch einen Kontrollverlust über die Daten, ihre mögliche missbräuchliche Verwendung oder eine Rufschädigung hervorgerufen würden. Der oder die Betroffene müsse aber nicht nur den DS-GVO-Verstoß nachweisen, sondern auch die dadurch kausal empfundenen Gefühle und ihre negativen Folgen.
Der Bewerber hatte vor den deutschen Gerichten geltend gemacht, ihm sei ein Schaden dadurch entstanden, dass mindestens eine ihm persönlich bekannte Person aus der gleichen Branche jetzt in der Lage sei, vertrauliche Daten über den Bewerbungsprozess und seine Gehaltsvorstellungen an ehemalige oder potenzielle Arbeitgeber weiterzugeben. Dadurch hätten Dritte in einer etwaigen Konkurrenzsituation ihm gegenüber einen Vorteil. Außerdem empfinde er das Unterliegen in den Gehaltsverhandlungen als Schmach, die er Dritten nicht offenbaren wolle.
Unterlassungsanspruch kürzt Schadensersatz nicht
Die DS-GVO enthält selbst keine Regelungen zur Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs. Insoweit sind nationale Vorschriften heranzuziehen. Diesbezüglich wollte der BGH wissen, ob ein bestehender Unterlassungsanspruch den Schadensersatzanspruch ganz ausschließt oder jedenfalls in seiner Höhe mindert.
Der EuGH stellte dazu fest: Eine Unterlassungsverfügung, die der oder die Betroffene erwirke, stehe einem Schadensersatzanspruch nicht entgegen und wirke sich auch nicht mindernd auf die Höhe des Schadensersatzes aus. Zur Begründung führte der EuGH die Zielrichtung des Schadensersatzes an: Art. 82 Abs. 1 DS-GVO erfülle ausschließlich eine ausgleichende Funktion, während eine Unterlassungsanordnung eine rein präventive Zielsetzung habe.
Art. 82 Abs. 1 DS-GVO sei zudem so auszulegen, dass der Grad des Verschuldens des oder der Verantwortlichen bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes keine Rolle spiele. Denn: Die nationalen Gerichte seien verpflichtet, einen "vollständigen und wirksamen" Schadensersatz für den erlittenen Schaden sicherzustellen. Dies gebiete die Ausgleichsfunktion des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO. Im Unterschied zur Geldbuße in Art. 83 DS-GVO erfülle der Schadensersatzanspruch – wie oben erwähnt – ausschließlich eine Ausgleichsfunktion und keine Abschreckungs- oder Straffunktion.
Kein präventiver Unterlassungsanspruch aus DS-GVO
Der BGH hatte den EuGH darüber hinaus zum Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten aus Art. 17 DS-GVO befragt. Wird ein Löschanspruch geltend gemacht, erfasst dieser auch das künftige Unterlassen der Datennutzung. Der Bewerber hatte hier allerdings keine Löschung, sondern nur Unterlassung verlangt.
Das OLG hatte den Unterlassungsanspruch aus Art. 17 DS-GVO bejaht und entschieden, dass ein Rückgriff auf den Unterlassungsanspruch im deutschen Recht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB – der eine Wiederholungsgefahr voraussetzt – nicht erforderlich sei. Diese Frage war bisher jedoch umstritten.
Der EuGH entschied jetzt, dass die DS-GVO keinen präventiven Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die persönlichen Daten der Betroffenen vorsehe, wenn diese nicht auch gleichzeitig die Löschung der Daten beantragten. Dies könne weder aus Art. 17 noch Art. 18 DS-GVO hergeleitet werden. Ein Unterlassungsanspruch ließe sich schon nicht mit dem Wortlaut der Normen vereinbaren und entspräche nicht dem Zweck der DS-GVO, so die Luxemburger Richterinnen und Richter. Allerdings hinderten die Bestimmungen der DS-GVO die Mitgliedstaaten umgekehrt auch nicht daran, einen solchen Rechtsbehelf in ihren nationalen Rechtsordnungen vorzusehen.