Weil er gegoogelt wurde: Abgelehnter Jurist fordert Schadensersatz
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Die Bewerbung eines Anwalts war erfolglos, weil die Personaler bei einer Google-Suche auf seine – noch nicht rechtskräftige – Verurteilung wegen Betrugs aufmerksam geworden waren. Nun muss das BAG entscheiden, ob ihm Schadensersatz aus der DS-GVO zusteht. Svenja Plonski und Anna Gauselmann ordnen ein.

Müssen Arbeitgeber, die im Rahmen eines Bewerbungsprozesses Google-Recherchen über Bewerberinnen und Bewerber tätigen, diese darüber informieren? Das LAG Düsseldorf meinte ja – ansonsten bestehe ein Schadensersatzanspruch (Urteil vom 10.04.2024 12 Sa 1007/23). Das LAG-Urteil zeigt, dass sogar nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen bei der Beurteilung einer Bewerberin und eines Bewerbers berücksichtigt werden können, sofern die Verarbeitung der Informationen datenschutzkonform erfolgt. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: Am Donnerstag wird sich das BAG mit dieser Frage auseinandersetzen.

In dem zugrunde liegenden Fall bewarb sich ein Fachanwalt für Arbeitsrecht auf eine befristete Stelle bei einer Universität. Diese führte im Zuge des Bewerbungsprozesses eine Google-Recherche über den Bewerber durch, da einem Mitglied der Auswahlkommission der Name des Bewerbers bekannt vorkam. Bei der Recherche wurde eine frühere, jedoch nicht rechtskräftige Verurteilung des Anwalts wegen (versuchten) Betrugs bekannt.

Die Universität besetzte die Stelle nicht mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht, sondern mit einer anderen Bewerberin. Sie hielt die Entscheidung und die Beweggründe in einem Auswahlvermerk fest, von dessen Inhalt der Anwalt mittels eines datenschutzrechtlichen Auskunftsverlangens Kenntnis erlangte. In dieser Ablehnung sah der Anwalt eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und forderte von der Universität Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO.

LAG Düsseldorf: Googeln grundsätzlich zulässig

Damit war er vor dem LAG Düsseldorf erfolgreich. Das Gericht sprach dem Anwalt Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO in Höhe von 1.000 Euro zu. Es stellte zunächst fest, dass die allgemeine Internetrecherche über den Bewerber als "erforderlich" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b DS-GVO anzusehen sei, da sie notwendig gewesen sei, um die Eignung des Bewerbers beurteilen zu können. Zudem handle es sich vorliegend um öffentlich zugängliche Informationen. Laut dem LAG dürfen Bewerber also grundsätzlich im Rahmen eines Einstellungsverfahrens "gegoogelt" werden. Ob dies auch für anlasslose Recherchen gilt, ließ das LAG offen.

Zudem ergebe sich die Zweckbindung des Einstellungsverfahrens im öffentlichen Dienst aus Art. 33 Abs. 2 GG. Es sei notwendige Aufgabe des öffentlichen Arbeitgebers, die Eignung des Bewerbers festzustellen und zu überprüfen. Im vorliegenden Fall war einem Mitglied der Auswahlkommission bei Durchsicht der Bewerbungsunterlagen der Name des Bewerbers bekannt vorgekommen. Dies weckte Aufmerksamkeit und führte zu einer genaueren Prüfung, der Google-Recherche. Für das Gericht war dieser Umstand entscheidend: Der Bewerber lieferte konkrete Anhaltspunkte, die eine vertiefte Überprüfung rechtfertigten.

Bewerber hätte informiert werden müssen

Trotz der festgestellten Erforderlichkeit der Datenverarbeitung sah das LAG die Informationspflicht aus Art. 14 Abs. 1 lit. d DS-GVO als verletzt an. Dieser besagt, dass Verantwortliche bestimmte Informationen zur Verfügung stellen müssen, wenn sie Daten nicht bei der betroffenen Person selbst erheben. Jeder Bewerber müsse demnach grundsätzlich über die Erhebung seiner Daten im Rahmen einer Internetrecherche informiert werden.

Dabei konkretisierte das LAG die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 DS-GVO: Informationen über die Datenkategorie müssten derart präzise und spezifisch gefasst sein, dass die betroffene Person die mit der Datenverarbeitung verbundenen Risiken abschätzen könne. Die Informationspflichten nach Art. 14 DS-GVO stehen also in direktem Zusammenhang mit dem Verarbeitungsvorgang und sollen eine faire und transparente Datenverarbeitung sicherstellen.

Schadensbemessung: Es kam auf den Inhalt an

Schließlich habe der Anwalt auch einen Schaden erlitten, so das LAG: Durch die fehlende Mitteilung sei er zum bloßen Objekt der Datenverarbeitung geworden und habe einen erheblichen Kontrollverlust mit negativen Auswirkungen auf die Auswahlentscheidung im Bewerbungsprozess erlitten. Der Inhalt der Datenverarbeitung war dabei für das Gericht bei der Beurteilung des Schadens durchaus von Relevanz. So stelle die strafrechtliche Verurteilung in dem gegebenen Zusammenhang eine erheblich negative Tatsache dar, die zudem unrichtig wiedergegeben wurde.

Ob die Entscheidung bei weniger negativen und damit weniger erheblichen Inhalten gleich ausgefallen wäre, lässt das Gericht offen. Allerdings lassen sich in der Begründung des LAG keine Anhaltspunkte dafür finden, dass im Rahmen der Verletzung einer Informationspflicht aus Art. 14 DS-GVO stets auf den inhaltlichen Charakter der Information Bezug zu nehmen ist.

Bei der Bemessung der Höhe des nach Art. 82 DS-GVO zu ersetzenden immateriellen Schadens spiele der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen keine Rolle. Vom LAG berücksichtigt wurde hier allerdings das negative Ausmaß der Information. Aufgrund der nicht rechtskräftigen Verurteilung sei die Information noch wichtiger gewesen, um dem Kläger die Möglichkeit zur Stellungnahme im Bewerbungsprozess zu gewähren. Die Universität habe ihn während des Bewerbungsverfahrens ohne Mitteilung an diesen aufgrund der damaligen Verurteilung für ungeeignet erachtet. Dies habe unter anderem seinen Achtungsanspruch als Person herabgesetzt.

Rechtsprechung fordert kausalen Schaden

Immer wieder ergehen Entscheidungen des EuGH zu der maßgeblichen Schadensersatznorm Art. 82 DS-GVO. Danach löst nicht jeder Verstoß gegen die DS-GVO automatisch einen Schadensersatzanspruch aus. Vielmehr muss ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden sein, den die betroffene Person nachzuweisen hat. Die Überschreitung einer Erheblichkeitsschwelle oder Bagatellgrenze ist dagegen nicht erforderlich. Bereits die Befürchtung des Missbrauchs personenbezogener Daten oder der Kontrollverlust über die Daten kann einen ersatzfähigen immateriellen Schaden darstellen.

Zudem wird das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen Verstoß und Schaden verlangt. Die genaue Ausprägung der Kausalität richtet sich mangels entsprechender Regelungen des Unionsrechts im Grundsatz nach dem Recht der Mitgliedstaaten, wobei die nationalen Gerichte den Effektivitätsgrundsatz des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht durch eine zu enge Auslegung der Kausalität unterlaufen dürfen. Danach ist eine Kausalität beispielsweise zu verneinen, wenn zwar unrechtmäßig Daten verarbeitet wurden und hierdurch ein Schaden eingetreten ist, der Schaden aber auch bei rechtmäßiger Verarbeitung eingetreten wäre (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten). Der Schaden muss also gerade durch den Rechtsverstoß gegen die DS-GVO entstanden sein.

Die Entscheidung des BAG: Mögliche Weichenstellung

Wie gewichtet das BAG den Inhalt der recherchierten Informationen? Im Fall des klagenden Anwalts waren diese eindeutig negativ. Wendet man die Feststellungen des EuGH streng an, könnte davon ausgegangen werden, dass unabhängig von einem tatsächlichen Nachteil der Datenverwendung ein Schaden in Form des Kontrollverlustes anzunehmen ist. Wünschenswert wäre daher eine Positionierung des BAG zur Zulässigkeit von Internetrecherchen im Bewerbungsverfahren, und zwar unabhängig von der Wertigkeit der Informationen, sowie eine Konkretisierung der damit einhergehenden Informationspflichten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.

Spannend dürfte sein, wie das BAG die Kausalität zwischen Verstoß und Schaden bewertet. Das LAG Düsseldorf hat sich dazu im Rahmen des zugesprochenen Schadensersatzanspruchs nicht geäußert. Ist der Bewerber allein deswegen als bloßes Objekt der Datenverarbeitung zu qualifizieren, weil er über diese nicht informiert wurde? Die Universität wies im Vorstellungsgespräch auf den Wikipedia-Eintrag des Anwalts hin, dem sie die Verurteilung entnahm. Wäre der Schaden auch im Falle einer rechtmäßigen Verarbeitung entstanden?

Sofern das Vorliegen eines Schadens bejaht wird, bleibt die Bemessung der Schadenshöhe durch das BAG abzuwarten. Der BGH hat in einem Fall, in dem er einen Kontrollverlust als immateriellen Schaden angesehen hat, unter Verweis auf die Ausgleichsfunktion des Art. 82 DS-GVO Schadensersatz in Höhe von 100 Euro als ausreichend erachtet (Urteil vom 18.11.2024 – VI ZR 10/24).

Svenja Plonski ist als Rechtsanwältin bei HÄRTING Rechtsanwälte im Arbeitsrecht tätig. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Vertragsgestaltung, der Prozessführung und der Beratung bei datenschutzrechtlichen Fragestellungen.

Anna Gauselmann ist studentische Mitarbeiterin im Team Arbeitsrecht. 

Svenja Plonski und Anna Gauselmann, 4. Juni 2025.

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