DAV kritisiert geplante Ausweitung von Tatbeständen bei Internetstraftaten

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) übt Kritik an der von der Europäischen Union vorgeschlagenen Richtlinie zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln. Die darin vorgesehene Ausweitung bestimmter Straftatbestände hält der Verein für nicht angezeigt. Er warnt vor allem vor der Schaffung von Tatbeständen, die die Strafbarkeit weit in das Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung verlagern.

Hintergrund

Aus Sicht der Europäischen Kommission macht die grenzüberschreitende Dimension von Betrugs- und Fälschungstaten im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln sowie die technologische Entwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs in den letzten Jahren eine Angleichung der Strafvorschriften der EU-Mitgliedstaaten in diesem Bereich erforderlich. Der hierfür bislang geltende Rahmenbeschluss 2001/413/JI wird von der Europäischen Kommission als nicht mehr zeitgemäß erachtet. Mit dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/413/JI des Rates (COM(2017) 489 final) sollen unter anderem Straftaten im Zusammenhang mit der betrügerischen Verwendung von Zahlungsinstrumenten und Informationssystemen (zum Beispiel Phishing, Pharming und Hacking) sowie deren Vorbereitungstaten definiert und zum Teil ausgeweitet werden. Der Richtlinienvorschlag enthält zudem harmonisierte Begriffsbestimmungen für diesen Bereich (wie zum Beispiel der Zahlungsinstrumente), Mindestschwellen für die Höchststrafen sowie Regelungen zur Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Betrugsfällen.

Erstreckung der Strafbarkeit ins Vorfeld des Schadenseintritts kritisiert

Der Deutsche Anwaltverein hält die vorgesehene Ausweitung der Straftatbestände in dem Richtlinienvorschlag, etwa im Hinblick auf die Versuchsstrafbarkeit, für nicht angezeigt und sieht auch besondere Zuständigkeitsregelungen als kritisch an. Der Vorschlag erstrecke die Strafbarkeit teilweise weit in das Vorfeld des Eintritts eines (Vermögens-)Schadens. Soweit nunmehr erwogen werde, bei der Besitzstrafbarkeit gefälschter oder erschlichener unbarer Zahlungsmittel auf eine überschießende Innentendenz zu verzichten (Art. 4 lit. c, Art. 4a des Richtlinienvorschlags), vermag dies nach Ansicht des DAV die entsprechenden Bedenken nicht auszuräumen, sondern verstärke diese nur. Dies gelte auch im Hinblick auf Überlegungen, zusätzlich auch das rechtswidrige Sichverschaffen eines unbaren Zahlungsmittels – gegebenenfalls unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass eine Sicherheitsvorkehrung überwunden werden muss – unter eine Pönalisierungsverpflichtung zu stellen (Art. 4 lit. b des Richtlinienvorschlags).

DAV gegen reine Besitzstrafbarkeit gefälschter oder erschlichener unbarer Zahlungsmittel

Ungeachtet verbrechenssystematischer Überlegungen und der notwendigen Harmonisierung mit bestehenden Rechtsinstrumenten der Union warnt der DAV daher vor der Schaffung von Tatbeständen, die die Strafbarkeit weit in das Vorfeld einer Rechtsgutsverletzung verlagern. Die hierdurch bewirkte Erweiterung der Strafbarkeit stehe erkennbar in keinem angemessenen Verhältnis zu dem hiervon erhofften Ertrag. Der DAV spricht sich daher insbesondere gegen die Schaffung einer reinen Besitzstrafbarkeit gefälschter oder erschlichener unbarer Zahlungsmittel aus.

DAV gegen Versuchsstrafbarkeit von Vorbereitungshandlungen

Die dargelegten Bedenken hat der DAV auch in Bezug auf die pauschale Anordnung der Versuchsstrafbarkeit in Art. 7 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags. Hierauf habe auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 03.11.2017 (BR-Drs. 653/17 (B)) zu Recht hingewiesen. Der Anwaltverein spricht sich dafür aus, keine Versuchsstrafbarkeit für solche Tatbestandsalternativen vorzusehen, die allein das Vorfeld einer deliktischen Handlung betreffen, wie dies typischerweise bei Vorbereitungshandlungen der Fall ist.

"Identitätsdiebstahl" kann keine gerichtliche Zuständigkeit begründen

Der Deutsche Anwaltverein weist außerdem darauf hin, dass für einzelne Delikte oder Deliktsgruppen keine besonderen Zuständigkeitsregelungen geschaffen werden sollten, die zu einer Rechtszersplitterung und mithin zu Anwendungsproblemen führen. Darüber hinaus lehnt er es ab, dass bei der Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit für Straftaten im Sinne der Art. 3 bis 7 des Richtlinienvorschlags zusätzlich auch die Zuständigkeit für Schäden durch missbräuchliche Nutzung personenbezogener Daten bei "Identitätsdiebstahl" in Art. 11 (1) c) aufgenommen wurde. Der "Identitätsdiebstahl" sei keine Straftat des Richtlinienvorschlags und könne daher auch keine gerichtliche Zuständigkeit begründen.

Redaktion beck-aktuell, 5. April 2018.