BVerwG: Verzögerte Einleitung des Disziplinarverfahrens bei Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen

Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, ist der Dienstherr verpflichtet, zeitnah ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15.11.2018 klargestellt. Unterbleibe dies, sei das bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd zu berücksichtigen. Wie das Gericht betonte, ergebe sich dies aus der Pflicht des Dienstherrn, Dienstpflichtverletzungen gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stufenweise durch angemessene Disziplinarmaßnahmen zu ahnden (Az.: 2 C 60.17).

Kreisbeamtin fehlte unentschuldigt

Mit der Disziplinarklage legte der Dienstherr einer Kreisbeamtin unter anderem zur Last, in der Zeit von Januar 2013 bis Januar 2015 entgegen dienstlichen Weisungen des Vorgesetzten in mindestens fünf Fällen unentschuldigt nicht zu dienstlichen Terminen erschienen zu sein, außerdem in zahlreichen Fällen dienstinterne Korrespondenz an außerhalb der Kreisverwaltung stehende Dritte weitergeleitet zu haben und sich in E-Mails in despektierlicher, illoyaler und zum Teil verächtlicher Form über Kollegen geäußert zu haben. Eingeleitet hatte der Landkreis das Disziplinarverfahren gegen die Beamtin im April 2014.

OVG: Beamtin aus Beamtenverhältnis zu entfernen

Auf die Disziplinarklage ist die Beamtin im vorinstanzlichen Verfahren aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beamtin habe ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen, indem sie schuldhaft gegen ihr obliegende Dienstpflichten, insbesondere zum Erscheinen bei Dienstterminen und zum innerdienstlichen Wohlverhalten, verstoßen habe. Dadurch habe sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiderruflich zerstört. Zum 01.11.2018 setzte der Dienstherr die Beamtin antragsgemäß wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe.

BVerwG: Höchstmaßnahme nicht gerechtfertigt

Das BVerwG hat jetzt auf die Revision der Beamtin die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und kraft eigener disziplinarer Maßnahmebemessung das monatliche Ruhegehalt der Beamtin für drei Jahre um ein Fünftel gekürzt. Die Beamtin habe zwar ein schweres Dienstvergehen begangen, weil sie über einen längeren Zeitraum wiederholt dienstliche Anordnungen nicht befolgt habe (insbesondere durch das Nichterscheinen zu Terminen), aber auch weil sie darüber hinaus vielfach die Pflicht zu innerdienstlichem Wohlverhalten verletzt habe. Die disziplinare Höchstmaßnahme – bei einer Ruhestandsbeamtin die Aberkennung des Ruhegehalts – sei aber nicht gerechtfertigt. Denn mildernd sei zu berücksichtigen, dass das Disziplinarverfahren gegen die Beamtin wesentlich zu spät eingeleitet worden sei.

Dienstherr hätte zunächst zeitnah niederschwellige disziplinare Maßnahmen ergreifen sollen

Der Dienstherr hätte bereits nach der ersten disziplinarwürdigen Dienstpflichtverletzung das behördliche Disziplinarverfahren einleiten und auf diese mit einer eigenen Disziplinarmaßnahme oder der Erhebung der Disziplinarklage reagieren müssen. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, dass der Dienstherr auf die zeitlich gestreckt aufgetretenen Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen – etwa durch Verweis nach dem unentschuldigten Nichterscheinen zu einem Diensttermin – auf die Beamtin pflichtenmahnend einwirkt.

BVerwG, Urteil vom 15.11.2018 - 2 C 60.17

Redaktion beck-aktuell, 16. November 2018.