Kein EU-Bio-Siegel für Mischgetränk "Blutquick" – Vitamine sind nicht immer gut
© dpa | Sven Hoppe

Das in Bayern produzierte Mischgetränk "Blutquick" darf nicht das EU-Bio-Siegel führen, sagt das BVerwG. Dirk Smielick über einen 13-jährigen Rechtsstreit und warum "organic" nicht gleich "bio" ist.

Das BVerwG hat in seinem am Donnerstag verkündeten Urteil entschieden, dass ein in der EU hergestellter Kräutertee, dem Vitamine und Mineralstoffe zugesetzt wurden, nicht unter dem EU-Bio-Siegel verkauft werden darf (Urteil vom 04.09.2025 - 3 C 13.24). Dies gilt selbst dann, wenn vergleichbare aus einem Drittland in die EU eingeführte Lebensmittel nach den dort geltenden Bestimmungen mit "organic" oder sonstigen mit dem EU-Bio-Siegel vergleichbaren Logos oder Bezeichnungen deklariert werden dürfen. Das Urteil ist das Finale eines 13-jährigen Rechtsstreits zwischen dem Freistaat Bayern und der Herbaria Kräuterparadies GmbH.

Der Hintergrund: Herbaria produziert das Getränk "Blutquick", eine Mischung aus biologisch erzeugten Fruchtsäften und Kräuterauszügen. Das Unternehmen setzt dem als Nahrungsergänzungsmittel vermarkteten Lebensmittel nicht pflanzliche Vitamine und Eisengluconat zu. Die Verpackung trägt unter anderem das EU-Bio-Logo und verweist auf Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ordnete 2012 an, dass Herbaria Hinweise auf den ökologischen Landbau auf dem Produkt entfernen müsse. Begründung war, dass nach der einschlägigen EU-Öko-VO Vitamine und Mineralstoffe nur zugesetzt werden dürften, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben sei. Das traf auf "Blutquick" nicht zu.

Herbaria hatte deswegen beim VG München (Az. M 18 K 14.5354) Klage eingereicht. Diese blieb jedoch im Anschluss an ein im Wege des Vorabentscheidungsersuchens ergangenes Urteil des EuGH (Az. C-137/13) erfolglos. Die von Herbaria beim VGH München eingereichte Berufung (Az. 20 BV 16.1456) wies das Gericht ebenfalls zurück, woraufhin das Unternehmen Revision zum BVerwG einlegte.

Ungleichbehandlung gegenüber US-Unternehmen?

Das BVerwG legte im Wege des Vorabentscheidungsersuchens den Rechtsstreit erneut dem EuGH vor. Dabei ging es den Richterinnen und Richtern primär darum, zu klären, ob Art. 33 Abs. 1 EU-Öko-VO dahin auszulegen sei, dass das EU-Bio-Siegel für ein aus einem anerkannten Drittland in die EU eingeführtes verarbeitetes Lebensmittel ökologischer/biologischer Produktion verwendet werden dürfe. Das Problem: Das Getränk enthält neben pflanzlichen Produkten auch Mineralstoffe und Vitamine nicht pflanzlichen Ursprungs. Die EU-Öko-VO sieht jedoch vor, dass Mineralstoffe, Vitamine, Aminosäuren und Mikronährstoffe bei der Verarbeitung von Öko-Lebensmitteln nur verwendet werden dürfen, wenn dies "unmittelbar gesetzlich vorgeschrieben ist". Mit anderen Worten: das Lebensmittel dürfte ohne Zugabe dieser Stoffe ansonsten in der EU gar nicht erst in den Verkehr gebracht werden.

Herbaria hatte argumentiert, es werde im Vergleich zu US-Unternehmen benachteiligt.So unterlägen nach der EU-Öko-VO vergleichbare, aus den USA importierte Lebensmittel nicht denselben Vorschriften wie ihr eigenes Produkt, da die USA aufgrund eines Abkommens mit der EU als Drittland mit gleichwertigen Produktionsvorschriften anerkannt würden. Dadurch dürften US-Produkte, die lediglich die US-Vorschriften erfüllen, in der EU mit dem Bio-Siegel vermarktet werden. Und das auch dann, wenn sie nicht allen EU-Vorgaben entsprächen. Herbaria sah darin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 20 GRCh.

EU-Bio-Siegel signalisiert, dass Produkte vollständig den EU-Vorschriften entsprechen

Der EuGH (Urteil vom 04.10.2024 - C-240/23) folgte der Ansicht von Herbaria bereits im Ansatz nicht. Er entschied, dass Art. 30 Abs. 2 und Art. 33 Abs. 1 EU-Öko-VO dahin auszulegen seien, dass Lebensmittel aus einem anerkannten Drittland nicht mit dem EU-Bio-Siegel vermarktet werden dürfen, wenn sie nicht den Vorschriften der EU-Öko-VO genügten.

Zur Begründung führten die Richterinnen und Richter in Luxemburg zum einen den Wortlaut und die Systematik der anwendbaren Vorschriften an. Zum anderen hob der EuGH das Ziel des Verbraucherschutzes hervor. Die EU-Öko-VO regele die Kennzeichnung ökologischer/biologischer Erzeugnisse, um einen fairen Wettbewerb und Verbraucherschutz zu gewährleisten. Das EU-Bio-Siegel dürfe nur für Produkte verwendet werden, die allen Vorgaben der EU-Öko-VO entsprächen. Für in der EU hergestellte Erzeugnisse gelten strengere Anforderungen als für importierte Produkte aus Drittländern, die lediglich gleichwertige Standards erfüllen müssen. Die Verwendung des EU-Bio-Logos auf Produkten, die nicht alle EU-Vorgaben erfüllen, berge Irreführungspotenzial für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das EU-Bio-Siegel solle eindeutig signalisieren, dass das Erzeugnis vollständig den EU-Vorschriften entspricht. Selbst ggf. vorhandene zusätzliche Herkunftsangaben würden nicht ausreichen, um alle Unklarheiten zu vermeiden.

Herbaria verliert vor dem BVerwG: Keine Ungleichbehandlung 

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH überrascht es nicht, dass das BVerwG nun die Revision von Herbaria zurückgewiesen hat. Das Gericht hat damit die schon von den Instanzgerichten getroffenen Entscheidungen bestätigt. Ökologisch produzierte Lebensmittel dürfen in der Kennzeichnung und Werbung kein EU-Bio-Siegel verwenden, wenn ihnen Vitamine oder Mineralstoffe zugesetzt wurden, ohne dass dies unmittelbar gesetzlich vorgeschrieben ist. Selbst Hinweise auf die biologische Produktion einzelner Zutaten in der Zutatenliste sind unzulässig.

Das BVerwG hat sich ferner der Sichtweise des EuGH angeschlossen, wonach auch Hersteller aus einem anerkannten Drittstaat das EU-Bio-Siegel nicht allein deshalb für in die EU eingeführte Lebensmittel verwenden dürfen, weil diese nach den in dem Drittland geltenden Bestimmungen zur ökologischen Produktion mit "organic" oder ähnlichen Angaben gekennzeichnet werden dürfen. Den Einwand von Herbaria, das Unternehmen werde im Vergleich zu US-Herstellern ungleich behandelt, hat das BVerwG somit nicht gelten lassen.

Drittland-Logo auch weiterhin erlaubt

Wenngleich Herbaria sich in dem Rechtsstreit argumentativ auf US-Produkte stützte, gilt die Entscheidung des BVerwG allgemein für aus einem anerkannten Drittland in die EU eingeführte Lebensmittel. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH bereits zuvor entschieden hat, dass das geltende Öko-Logo des Drittlands für das in die EU eingeführte Lebensmittel verwendet werden darf, auch wenn es Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion im Sinne von Art. 30 Abs. 1 und Anhang IV der EU-Öko-VO enthält (wie z.B. "organic", "biologique" oder "ecológico").

Oder anders gewendet: Eingeführte Lebensmittel mit Drittland-Öko-Logos und entsprechenden Bezeichnungen verstoßen nicht gegen Art. 30 Abs. 2 EU-Öko-VO. Diese Wertung des EuGH dürfte grundsätzlich auch im Rahmen einer Prüfung einer etwaigen Irreführung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu berücksichtigen sein. Voraussetzung ist aber, dass die in die EU eingeführten Lebensmittel die in dem Drittland für das dortige Logo bzw. die dortige Bezeichnung geltenden Anforderungen erfüllen.

Dr. Dirk Smielick ist Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei CMS in Deutschland. Er berät und vertritt Unternehmen seit Jahren zum Lebensmittelrecht vor deutschen Gerichten und Behörden.

BVerwG, Urteil vom 04.09.2025 - 3 C 13.24

Redaktion beck-aktuell, Gastbeitrag von RA Dr. Dirk Smielick, 5. September 2025.

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