Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Gleiss Lutz, Stuttgart
Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 25/2018 vom 28.06.2018
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Arbeitsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Arbeitsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Arbeitsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Die Vorlage des ArbG Braunschweig und die Verfassungs-beschwerde betreffen die gesetzliche Beschränkung der sachgrundlosen Befristung gem. § 14 II 2 TzBfG von Arbeitsverhältnissen. Dem Vorlagebeschluss des ArbG lag eine Klage auf Entfristung eines Arbeitsvertrages zugrunde. Der Kläger des Ausgangsverfahrens machte geltend, die zuletzt vereinbarte sachgrundlose Befristung seines Arbeitsverhältnisses sei unwirksam, weil er bei demselben Arbeitgeber „bereits zuvor" beschäftigt war. Das ArbG hat das Verfahren gem. Art. 100 I 1 GG ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 14 II 2 TzBfG mit Art. 12 I, 2 I und 3 I GG vereinbar sei. Es legt die Norm so aus, dass die sachgrundlose Befristung auf die erstmalige Beschäftigung beim jeweiligen Vertragsarbeitgeber beschränkt ist, und vertritt damit eine andere Auffassung als das BAG (NZA 2011, 905), das eine erneute sachgrundlose Befristung für zulässig hält, wenn zwischen den Beschäftigungsverhältnissen mehr als 3 Jahre liegen. Das BVerfG hatte außerdem über eine Verfassungsbeschwerde zu entscheiden, die sich gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen wandte, die dem BAG gefolgt waren.
Entscheidung
§ 14 II 2 TzBfG sei – so das BVerfG – mit dem Grundgesetz bei eingeschränkter Anwendung auf Fälle vereinbar, in denen die Gefahr der Kettenbefristung und eine Abkehr von unbefristeter Beschäftigung als Regelfall bestehe. Auch die Verfassungsbeschwerde sei begründet. Die angegriffene Entscheidung des LAG überschreite die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung und verletzte damit den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 I iVm. Art. 20 III GG. Sie beruhe auch auf dieser Grundrechtsverletzung, weil allein die verfassungswidrige Auslegung des § 14 II 2 TzBfG zur Wirksamkeit der streitbefangenen Befristung und damit zum Unterliegen des Beschwerdeführers im Ausgangsverfahren führe. Der Beschluss sei daher aufzugeben und die Sache an das LAG zurückzuweisen mit der Folge, dass der Beschluss des BAG vom 30.4.2014 gegenstandslos sei.
Praxishinweis
Das BVerfG hat der pragmatischen Lösung des BAG leider eine Abfuhr erteilt. Die Begründung dafür überzeugt keineswegs: Eine Gefahr von Kettenbefristungen besteht bei sachgrundlosen Befristung mit einem auf 3 Jahre eingeschränkten Vorbeschäftigungsverbot gerade nicht. Verfassungspolitisch betrachtet mag das BVerfG die Gewaltenteilung des GG ernst nehmen. Dem Willen des Gesetzgebers verhilft der Beschluss aber nur scheinbar zum Durchbruch. Der Gesetzgeber hat zur eingeschränkten und vernünftigen Auslegung des Vorbeschäftigungsverbots des BAG über Jahre hinweg geschwiegen, was man auch als Akzeptanz verstehen kann. Und nun beschert die Entscheidung des BVerfG in erster Linie Rechtsunsicherheit: Es ist nämlich offen, wann ein Arbeitnehmer nach einer Vorbeschäftigung vor einer erneuten sachgrundlosen Befristung geschützt werden muss.