Nach einer vorläufigen Einschätzung wittert das Kartellamt einen Missbrauch nach den besonderen Vorschriften für große Digitalunternehmen (§ 19a Abs. 2 GWB) sowie einen Verstoß gegen die allgemeinen Missbrauchsvorschriften des § 19 GWB und Art. 102 AEUV.
Die Handelsplattform amazon.de vereint rund 60% des Umsatzes im deutschen Onlinehandel mit Waren auf sich. Über die Plattform bietet das Unternehmen eigene Waren an, über den Marketplace können aber auch Dritthändler ihre Waren an Enkunden und -kundinnen feilbieten. Diese sollen dabei bestimmte Preisgrenzen nicht überschreiten – was Amazon durch den Einsatz von Preiskontrollmechanismen überprüft.
Bewerten die Mechanismen die Händlerpreise als zu hoch, werden die entsprechenden Angebote entweder ganz vom Marktplatz entfernt oder nicht im hervorgehobenen Einkaufsfeld angezeigt. Die Angebote erfahren zudem weitere Einschränkungen bei der Darstellung, z.B. in der Suchergebnisliste. Auch ein Ausschluss von Werbung auf Amazon ist möglich. Die betroffenen Händler werden unterrichtet und dazu aufgefordert, ihre Preise an die von Amazon vorgegebenen Referenzpreise anzupassen.
Einschränkungen sachlich nicht gerechtfertigt
Das Bundeskartellamt bewertet dieses Vorgehen vorläufig als unangemessen und sachlich nicht gerechtfertigt. Laut seinem Präsidenten Andreas Mundt hat dafür eine Rolle gespielt, dass "die Parameter der eingesetzten Preiskontrollmechanismen im freien Ermessen von Amazon stehen und die Preisgrenzen für Marktplatzhändler nicht transparent sind."
Vor allem drei Punkte hält das Amt für problematisch. Einmal sei der Wettbewerbsprozess auf dem Marktplatz selbst betroffen. Denn die Beschränkungen folgten keinen objektiven, überprüfbaren Grundsätzen und würden weder in der Marketplace-Richtlinie noch in der Kommunikation von Amazon mit den Dritthändlern ausreichend transparent gemacht.
Außerdem greife Amazon über seine Preiskontrollmechanismen in die Preisgestaltungsfreiheit der Marktplatzhändler ein, was zu einer Konzentration der Händler auf dem Marketplace führen könne. Denn durch strenge Preisgrenzen könnten Händler häufig ihre Kosten nicht mehr decken. Es bestehe die Gefahr, dass sie vom Marktplatz verdrängt werden.
Schließlich, so das Kartellamt, könne sich das Vorgehen Amazons auch auf den übrigen Onlinehandel auswirken. Mit seinen Preisvorgaben sorge Amazon als Wettbewerber der Marktplatzhändler für eine einheitliche Preisstrategie seiner gesamten Handelsplattform. Insbesondere die Praxis, den niedrigsten beobachteten externen Preis im Onlinehandel auf der gesamten Handelsplattform systematisch nachzuvollziehen, könne eine hohe Wechselhürde bedingen und den übrigen Onlinehandel von Preisvorstößen und damit niedrigeren Preisen abschrecken, meint das Amt.
Amazon unterliegt wegen seiner überragenden marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB. Das hat der BGH bestätigt. Daher führt das Bundeskartellamt das vorliegende Verfahren auch nach § 19a Abs. 2 GWB. Amazon hat jetzt die Möglichkeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.