BSG: Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz besteht auch an einem "Probetag"

Ein Arbeitsuchender, der in einem Unternehmen einen "Probearbeitstag" verrichtet und sich dabei verletzt, ist gesetzlich als "Wie-Beschäftigter" unfallversichert. Dies hat das Bundessozialgericht am 20.08.2019 entschieden (Az.: B 2 U 1/18 R).

Kläger stürzte am Probearbeitstag vom Lkw

Der Kläger, der sich auf eine Stelle als Lkw-Fahrer bei einem Entsorger von Lebensmittelabfällen beworben hatte, vereinbarte im Vorstellungsgespräch mit dem Unternehmer, einen "Probearbeitstag" zu absolvieren. Der Kläger sollte mit dem Lkw mitfahren und Abfälle einsammeln. Eine Vergütung sollte er dafür nicht erhalten. Der Kläger stürzte an dem Probearbeitstag vom Lkw und zog sich unter anderem Verletzungen am Kopf zu. Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, weil der Kläger nicht in den Betrieb eingegliedert gewesen sei.

Vorinstanzen gaben Klage statt

Sozialgericht und Landessozialgericht stellten hingegen das Vorliegen eines versicherten Arbeitsunfalls fest. Auch ohne Bestehen eines Arbeitsverhältnisses könne eine Beschäftigung vorliegen, wenn der Verletzte - wie im vorliegenden Fall durch das Mitfahren und Einsammeln von Abfällen - für ein fremdes Unternehmen tätig sei. Der Unternehmer habe ein Eigeninteresse an dem Probetag gehabt, weil zahlreiche Bewerber nach kurzer Mitarbeit wieder abgesprungen seien. Die Tätigkeit gehe auch über die in der Regel unversicherte bloße Arbeitsplatzsuche oder die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch hinaus. Der Beklagte legte Revision ein und rügte eine Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII.

BSG: Zwar kein Versicherungsschutz als "Beschäftigter"

Die Revision hatte keinen Erfolg. Laut BSG stand der Kläger zwar nicht als Beschäftigter unter Versicherungsschutz, als er an dem "Probearbeitstag" Mülltonnen transportiert habe und dabei vom Lkw gestürzt sei. Ein Beschäftigungsverhältnis habe nicht vorgelegen, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Entsorgungsunternehmers eingegliedert gewesen sei.

Aber Versicherungsschutz als "Wie-Beschäftigter"

Da der Kläger aber eine dem Entsorgungsunternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht habe, die einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis ähnlich sei, sei der Kläger als "Wie-Beschäftigter" gesetzlich unfallversichert. Insbesondere habe die Tätigkeit nicht nur im Eigeninteresse des Klägers gelegen, eine dauerhafte Beschäftigung zu erlangen. Denn der Probearbeitstag habe gerade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewerbers ermöglichen sollen und damit für ihn einen objektiv wirtschaftlichen Wert gehabt.

BSG, Urteil vom 20.08.2019 - B 2 U 1/18 R

Redaktion beck-aktuell, 20. August 2019.