BGH: Airlines müssen Kosten der Beförderung von "Sky-Marshals" selber tragen

Luftfahrtunternehmen haben keinen Anspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Erstattung passagierbezogener Zahlungen, die sie für die Beförderung von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter ("Sky-Marshals") an Dritte entrichten müssen. Dies ergibt sich laut Bundesgerichtshof unter anderem daraus, dass der Einsatz der "Sky-Marshals" den Luftfahrtunternehmen selbst zugute kommt, weil er zu einem Sicherheitsgewinn und einer Risikominderung führt und die Unternehmen von gleichartigen eigenen Sicherungsmaßnahmen entlastet (Urteil vom 26.07.2018, Az.: III ZR 391/17).

Luftfahrtunternehmen will von Bundesrepublik Entgelte ersetzt haben

Die Klägerin ist ein deutsches Luftfahrtunternehmen, das nationale und internationale Linienflüge durchführt. Gemäß §§ 4a, 62 Abs. 2 Nr. 2 des Bundespolizeigesetzes (BPolG) ist sie verpflichtet, auf bestimmten, von der Bundespolizei aufgrund einer umfassenden Lageauswertung ausgewählten und ihr im Voraus mitgeteilten Flügen Beamte der Bundespolizei als sogenannte Flugsicherheitsbegleiter ("Sky Marshals") unentgeltlich zu befördern. Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland die Erstattung passagierbezogener Zahlungen, die sie für die Beförderung von Bundespolizeibeamten als Flugsicherheitsbegleiter an Dritte (in- und ausländische Flughäfen und Behörden) entrichten muss. Hierzu gehören etwa Beförderungssteuern, Einreisegebühren und Benutzungsentgelte (zum Beispiel Zollgebühren, Start- und Landeentgelte). Diese beziffert sie für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis zum 17.09.2015 auf insgesamt gut 2,3 Millionen Euro, wovon rund 1,3 Millionen Euro im Inland und knapp eine Million Euro im Ausland angefallen seien.

Auch Feststellungsklage erhoben

Weiterhin begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die ab dem 18.09.2015 entstehenden entsprechenden Aufwendungen zu erstatten. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gesetzliche Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG nicht die Verpflichtung einschließe, passierbezogene Zahlungen an Dritte zu tragen. Darüber hinaus meint sie, die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung gelte jedenfalls nur für das Inland, weil den Flugsicherheitsbegleitern außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets keine Befugnisse nach § 4a BPolG zustünden. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

BGH: Pflicht zu unentgeltlicher Beförderung der "Sky Marshals" auch auf internationalen Flügen

Ein Ausgleichsanspruch scheitert laut BGH daran, dass die Unentgeltlichkeit im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG auch die hier geltend gemachten passagierbezogenen Aufwendungen erfasst. Die Beförderungspflicht nach §§ 4a, 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG gelte für nationale und internationale Flüge. Eine Unterscheidung treffe das Gesetz insofern nicht. Unabhängig davon, ob die Polizeibeamten nur im deutschen Luftraum hoheitliche Befugnisse haben, beziehe sich die Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung der Flugsicherheitsbegleiter auch auf internationale Flüge. Erfasst seien in diesen Fällen – bei einer auf deutschem Hoheitsgebiet begonnenen Wahrnehmung von Aufgaben – die gesamte Beförderung bis zum (ausländischen) Zielflughafen und der anschließende Rückflug nach Deutschland. Die Weiterbeförderung über die Staatsgrenze hinaus sei nämlich ebenso wie der Rückflug nach Deutschland notwendige tatsächliche Folge der vorherigen Aufgabenwahrnehmung im Inland. Im Übrigen dürfte nichts dagegen sprechen, dass der Flugsicherheitsbegleiter jedenfalls als Beauftragter des verantwortlichen Luftfahrzeugführers auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets zur Ausübung der "Bordgewalt" befugt ist, wenn und soweit dies nicht zu einer Kollision mit fremder Hoheitsgewalt führt.

"Unentgeltlichkeit" der Beförderung steht begehrter Erstattung entgegen

Die "Unentgeltlichkeit" der Beförderung im Sinne des § 62 Abs. 2 Nr. 2 BPolG ist laut BGH nach Wortlaut, Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik dieser Regelung dahin zu verstehen, dass eine Erstattung der von der Klägerin geltend gemachten passagierbezogenen Zahlungen an Dritte ausgeschlossen wird.

Bezweckte Minimierung von Gefahren für Passagiere und Besatzung rechtfertigt Heranziehung der Airlines

Eine andere – einschränkende – Auslegung dieser Norm sei auch von Verfassungs wegen (Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie, Art. 12 GG und Art. 14 GG) nicht veranlasst, fährt der BGH fort. Die Heranziehung der im grenzüberschreitenden Reiseverkehr tätigen Verkehrsunternehmen zur unentgeltlichen Beförderung von Bundespolizeibeamten sei durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Die Beförderungspflicht diene in erster Linie der Verhinderung von Entführungen von Luftfahrzeugen, terroristischen Anschlägen und Geiselnahmen und damit der Vorbeugung und Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Flugzeugpassagiere und Besatzungsmitglieder. Sie bezwecke die Gewährleistung von Rechts- und Gemeinschaftsgütern von hohem Rang, deren Schutz selbst mit Mitteln angestrebt werden darf, die empfindlich in das Grundrecht der Berufsfreiheit eingreifen.

Pflicht zu kostenloser Beförderung auch verhältnismäßig – Luftfahrtunternehmen auch selbst unmittelbare Nutznießer

Die Pflicht zur kostenlosen Beförderung sei auch verhältnismäßig, weil die Klägerin durch die passagierbezogenen Kosten nicht unzumutbar belastet werde. Auf der einen Seite ergebe sich aus der Beförderungstätigkeit eine Sach- und Verantwortungsnähe der Luftfahrtunternehmen zur Gefahrenabwehr und -vorsorge an Bord ihrer Luftfahrzeuge. Auf der anderen Seite komme der Einsatz von Flugsicherheitsbegleitern den Luftfahrtunternehmen selbst zugute, weil er zu einem Sicherheitsgewinn und einer Risikominderung führe und die Unternehmen von gleichartigen eigenen Sicherungsmaßnahmen entlaste. Sie seien deshalb unmittelbarer Nutznießer der kostenauslösenden polizeilichen Tätigkeit. Hinzu kommt laut BGH, dass die für die Beförderung der Bundespolizeibeamten an Dritte zu zahlenden passagierbezogenen Kosten für die Klägerin – in Anbetracht ihres Umsatzes, ihrer Gesamtkosten und ihres Gewinns – von deutlich untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung sind und ohne weiteres in den Flugpreis einkalkuliert und auf diese Weise an die Passagiere weitergegeben werden können.

Keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung im Vergleich zu Schienenverkehrsunternehmen

Etwaige Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen – von der Pflicht zur unentgeltlichen Beförderung nicht erfassten – Luftfahrtunternehmen würden durch den mit dem Einsatz der Flugsicherheitsbegleiter verbundenen Sicherheitsgewinn und die hieraus resultierenden Wettbewerbsvorteile mehr als ausgeglichen, meint der BGH. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung ergebe sich auch nicht im Vergleich zu Schienenverkehrsunternehmen. Die von terroristischen Anschlägen auf Luftfahrzeuge oder deren Entführung ausgehenden Gefahren reichten hinsichtlich ihrer Art und ihres möglichen Ausmaßes (Gefährdung einer großen Zahl von Menschen und kritischer Infrastruktureinrichtungen) typischerweise deutlich weiter als beim Bahnverkehr, sodass für den Luftverkehr von einem höheren Sicherheitsbedürfnis auszugehen sei, das sich wiederum in einer höheren Kostenbelastung der Luftfahrtunternehmen für die Gefahrenvorsorge und -abwehr niederschlagen dürfe.

BGH, Urteil vom 26.07.2018 - III ZR 391/17

Redaktion beck-aktuell, 26. Juli 2018.