Vater tötet Säugling: Fahrlässige Tötung durch Mutter

Wenn die Mutter weiß, dass ihr Mann das gemeinsame Kind misshandelt, wird es schwierig: Kann sie dem Vater die Flasche geben und darauf vertrauen, dass er seinen Sohn ohne Zwischenfälle füttern wird? – Der 6. Strafsenat des BGH ging bei ihr zumindest nicht von einem Tötungsvorsatz aus.

Ein Mann tötete sein sechs Monate altes Kind, während seine Frau im Schlafzimmer schlief. Sie hatte um Mitternacht ein Fläschchen für den Kleinen fertiggemacht und ihren Mann gebeten, seinen Sohn zu füttern. Der aber tötete den Säugling, nachdem er mit ihm zum Füttern ins Wohnzimmer gegangen war. Weil sie gewusst hatte, dass die Vater-Sohn-Beziehung ziemlich schlecht war und er dem Baby schon mehrfach Gewalt angetan hatte, wurde sie vom LG Arnsberg wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu anderthalb Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

Kurios dabei: Während sie bis zur Verhandlung in Untersuchungshaft saß, war ihr Mann in Freiheit. Und während ihr der Prozess gemacht wurde, saß er nach Presseberichten als Zuschauer im Gerichtssaal. Hintergrund war, dass er ein amerikanischer Soldat ist, der sich erst jetzt vor dem US-Militärgericht in Vilseck für seine Tat verantworten muss. 

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil gegen die Mutter Revision ein, weil sie fand, dass ein Totschlag nach §§ 212, 13 StGB vorliege – keine bloß fahrlässige Tötung nach §§ 222,13 StGB. Die Leipziger Richterinnen und Richter wiesen das Rechtsmittel aber zurück.  

Auf den Schutz durch ihre Anwesenheit vertraut

Die Frau habe zwar zwei Wochen zuvor gemerkt, dass ihr Mann das gemeinsame Kind misshandele. Trotz dieser Erkenntnis hielt der 6. Strafsenat (Urteil vom 03.04.2024 – 6 StR 329/23) es für glaubhaft, dass sie darauf vertraut habe, er werde das Kind während ihrer Anwesenheit in der Wohnung nicht verletzen. Sie sei um die Verbesserung des Vater-Sohn-Verhältnisses bemüht gewesen und habe ihren Gatten deshalb gebeten, seinen Sohn zu füttern. Da sie sich selbst immer sehr verantwortungsbewusst und liebevoll um ihren Sohn gekümmert habe, sei die Ablehnung eines bedingten Tötungsvorsatzes vertretbar. 

BGH, Urteil vom 03.04.2024 - 6 StR 329/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 23. April 2024.