Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Kanzlei GRAMS Rechtsanwälte, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 3/2020 vom 06.02.2020
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Sachverhalt
Die Klägerin fordert von der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und die Herausgabe von Nutzungen aus einer im Jahr 2000 nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG a.F. abgeschlossenen Rentenversicherung mit Todesfallleistung. Die Klägerin kündigte 2008 den Vertrag und erhielt den Rückkaufswert ausgezahlt. 2015 erklärte die Klägerin den Widerspruch gegen den Vertragsschluss. Sie argumentiert, die Widerspruchsfrist nach § 5a VVG a.F. sei wegen formaler und inhaltlicher Mängel der Widerspruchsbelehrung sowie wegen Unvollständigkeit der Verbraucherinformation nicht in Gang gesetzt worden.
Das Landgericht wies die Klage ab, das OLG gab ihr ganz überwiegend statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das OLG-Urteil auf und wies die Berufung der Klägerin insgesamt zurück.
Rechtliche Wertung
Die Klägerin sei bei Vertragsschluss nach den Feststellungen des OLG ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden, meint der BGH. Sie habe den Widerspruch auch nicht wegen Unvollständigkeit der ihr erteilten Verbraucherinformation hinsichtlich des Rückkaufswertes wirksam erklären können.
Die Verbraucherinformation sei entgegen der Auffassung des OLG nicht deshalb unvollständig, weil eine Angabe dazu fehlte, ob und in welchem Umfang Rückkaufswerte überhaupt garantiert wurden. Zu der notwendigen Verbraucherinformation nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. gehörten bei Lebensversicherungen und Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr gemäß Abschnitt I Nr. 2 Buchst. b) der Anlage Teil D zum VAG a.F. die Angabe der Rückkaufswerte und nach Buchst. d) dieser Bestimmung Angaben über das Ausmaß, in dem Rückkaufswerte garantiert sind. «Garantiert» in diesem Sinne seien Rückkaufswerte dann, wenn der Versicherer sie in einer bestimmten Höhe vertraglich zugesagt hat.
Im vorliegenden Fall fehle es an garantierten Rückkaufswerten in diesem Sinne. Die Beklagte habe keine Rückkaufswerte in bestimmter Höhe vertraglich zugesagt. Darauf habe die Beklagte in der Verbraucherinformation ausreichend hingewiesen («… kann nicht garantiert werden»). Eine gesetzliche Verpflichtung zu einem ausdrücklichen Hinweis, dass eine Garantie nicht gegeben werde, bestehe im Übrigen nicht. Nur bei Vorliegen einer Garantie müsse deren Ausmaß angegeben werden. Dies stehe auch im Einklang mit den europäischen Richtlinien zur Lebensversicherung.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH entspricht der überwiegenden OLG-Rechtsprechung (wie hier z.B. OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 11.05.2017 - 20 U 29/17, BeckRS 2017, 117098, sowie mehrere vom BGH zitierte, nicht veröffentlichte Entscheidungen der OLGs Frankfurt und München und des KG). Die Gegenauffassung vertrat das OLG Stuttgart in der hier aufgehobenen Berufungsentscheidung sowie mit Urteil vom 21.12.2017 - 7 U 80/17, BeckRS 2017, 142978.