Kaskoversicherung dient nicht der Schadensminderung

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls muss seine Kaskoversicherung nicht in Anspruch nehmen, um den Unfallgegner zu entlasten. Grundsätzlich sei es Sache des Schädigers, die Schadensbeseitigung zu finanzieren, betonte der Bundesgerichtshof. Die Inanspruchnahme des eigenen Kaskoversicherers sei regelmäßig wegen der damit verbundenen Rückstufung nicht zumutbar.

Autofahrerin verlangt Ersatz weiteren Nutzungsausfalls

Eine Autofahrerin nahm den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf Ersatz von Nutzungsausfallschaden für weitere 27 Tage in Anspruch. Ihr Fahrzeug war vollkaskoversichert und wurde im Februar 2017 bei einem Verkehrsunfall ohne ihr Verschulden beschädigt. Sie gab noch am Unfalltag ein Schadensgutachten in Auftrag, das am Folgetag vorlag. Drei Tage später meldete sie ihre Ansprüche bei der Versicherung an. Sie teilte mit, aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse könne sie die Kosten für die notwendige Reparatur nicht vorfinanzieren. Nach Ablauf einer der Haftpflichtversicherung gesetzten Frist forderte sie ihren Kaskoversicherer zur Regulierung auf. Am 20.03.2017 erteilte sie einen Reparaturauftrag, am 29.03.2017 war das Auto wieder einsatzbereit.

LG: Pflicht, Schaden möglichst gering zu halten

Der Haftpflichtversicherer erstattete ihr einen Nutzungsausfallschaden für 15 Tage (zehn Tage Reparaturdauer und zusätzliche fünf Tage für die Erstellung und Prüfung des Gutachtens). Damit war die Geschädigte nicht einverstanden. Das AG Berlin-Mitte wies die Klage ab. Die Berufung scheiterte vor dem LG Berlin, weil sie die Kaskoversicherung erst nach Ablauf der Regulierungsfrist in Anspruch genommen habe. Damit habe sie die Reparatur verzögert und gegen ihre Obliegenheit verstoßen, den zu ersetzenden Schaden möglichst gering zu halten (§ 254 Abs. 2 BGB). Ihre Revision war erfolgreich.

BGH: Geschädigter muss keinen eigenen Kaskoversicherer einschalten

Der BGH verwies die Sache an das Landgericht zurück. Die Klägerin sei nicht gehalten gewesen, ihren eigenen Kaskoversicherer zur zeitnahen Behebung des Unfallschadens einzuschalten. Dem VI. Zivilsenat zufolge soll eine Kaskoversicherung den Schädiger nicht entlasten. Vielmehr solle diese Kosten abdecken, für die sonst der Eigentümer selbst aufkommen müsse. Die höheren Beiträge bei Nutzung der Kaskoversicherung - und die komplizierte Abrechnung dieser neuen Schadensposition - machten die Inanspruchnahme unzumutbar.

BGH, Urteil vom 17.11.2020 - VI ZR 569/19

Redaktion beck-aktuell, 26. Januar 2021.