Beschwerde ans falsche Gericht: Anwalt haftet für abgelaufene Frist

Kurz vor knapp reicht ein Anwalt eine Beschwerde ein, allerdings beim falschen Gericht. Bis das (per Post) behoben ist, ist die Beschwerdefrist vorüber. Für den Einwand, digital hätte es noch gereicht, zeigt der BGH kein Verständnis und sieht den Juristen in der Verantwortung.

In einem Scheidungsprozess hatte das AG einen Mann verpflichtet, seiner Ex-Frau einen Zugewinnausgleich in Höhe von 709.900 Euro zu zahlen. Kurz vor Ende der Frist an einem Freitag reichte sein Anwalt über das beA Beschwerde ein - versehentlich beim OLG. Das OLG leitete den Schriftsatz am darauffolgenden Montag, am Tag des Fristablaufs per Post an das zuständige AG weiter. Dort kam das Schriftstück erst am folgenden Werktag an.*

Die Beschwerde wurde als unzulässig abgelehnt, der Anwalt begehrte Wiedereinsetzung. Er trug vor, zur fehlerhaften Adressierung an das OLG sei es gekommen, weil sein Bevollmächtigter die Einlegung der Beschwerde zwar fristgerecht angeordnet habe, diese jedoch von seiner "langjährigen und stets zuverlässigen Mitarbeiterin" fälschlicherweise an das OLG gesandt worden sei. Außerdem hätte der Schriftsatz beizeiten innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist digital an das zuständige AG weitergeleitet werden können. Zumindest hätte das  OLG ihn wegen einer "deutlich erhöhte(n) prozessuale(n) Fürsorgepflicht" darauf hinweisen können, dass ein rechtzeitiger Eingang des weitergeleiteten Schriftsatzes beim AG nicht sicher ist.

Klarer Verstoß gegen die anwaltlichen Sorgfaltspflichten

Nachdem das OLG nach der Beschwerde auch den Antrag auf Wiedereinsetzung verworfen hatte, war nun auch die Rechtsbeschwerde zum BGH erfolglos (Beschluss vom 23.10.2024 – XII ZB 576/23). Die Karlsruher Richter und Richterinnen erklärten, dass der Anwalt bei sorgfältiger Überprüfung der Beschwerdeschrift die fehlerhafte Adressierung hätte bemerken und korrigieren müssen. Dabei komme es nicht darauf an, ob er die Beschwerdeschrift selbst qualifiziert elektronisch signiert habe oder seine hiermit von ihm beauftragte "langjährige und stets zuverlässige Mitarbeiterin“. Denn allein er als Anwalt sei vor deren Versendung über das beA dafür verantwortlich zu prüfen, dass das Arbeitsergebnis korrekt und vollständig ist. Zu den zu prüfenden Details gehöre auch die korrekte Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts.

Auch könne der Anwalt, so der BGH weiter, nicht erwarten, dass die einen Werktag nach Eingang der Beschwerdeschrift richterlich verfügte elektronische Weiterleitung der Beschwerdeschrift noch am selben Tag zur Geschäftsstelle gelange und dort ausgeführt werde. Vielmehr entspreche es dem ordentlichen Geschäftsgang, dass die Geschäftsstelle die richterlich verfügte Weiterleitung am darauffolgenden Werktag umsetzt. Das aber reichte nicht um die Frist zu wahren.

Dabei könne dahinstehen, ob das OLG die Beschwerdeschrift elektronisch an das AG hätte weiterleiten müssen, weil – wie der Anwalt meinte – nur dann der qualifiziert signierte Schriftsatz formgerecht eingereicht wäre. Denn selbst wenn eine elektronische Weiterleitung an das AG technisch möglich gewesen sein sollte und man insoweit eine aktive Nutzungspflicht des Elektronischen Gerichts- und Behördenpostfachs annehmen würde, war nach den vorliegenden Umständen eine fristgerechte Weiterleitung im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang nicht zu erwarten. Daher besteht, anders als der Anwalt meint, auch kein Rechtsfortbildungsbedarf hinsichtlich der Art und Weise der vorzunehmenden Weiterleitung.

(* Sachverhalt vereinfacht, geändert am 5.12.2024, 19:16h, jvh)

BGH, Beschluss vom 23.10.2024 - XII ZB 576/23

Redaktion beck-aktuell, ns, 5. Dezember 2024.