Die Entscheidung des BGH betrifft den Fall der Linksextremistin Lina E., die nach Angriffen auf Rechtsextreme vom OLG Dresden im Mai 2023 wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt wurde. Der BGH bestätigte die Haftstrafe im März, das Urteil des OLG Dresden wurde damit rechtskräftig.
Bis zum Urteil des OLG Dresden hatte Lina E. in U-Haft verbracht, das OLG hatte den Haftbefehl auch danach aufrechterhalten, den Vollzug aber unter Auflagen ausgesetzt. Mit einer Beschwerde vom Februar hatte sie die Aufhebung des Haftbefehls erstrebt. Um diese Haftbeschwerde geht es im vorliegenden BGH-Beschluss, nachdem das OLG nur die Meldeauflage reduziert hatte. Der BGH hat die Beschwerde für gegenstandslos erachtet, weil sich der U-Haftbefehl mit der Rechtskraft der Verurteilung erledigt habe (Beschluss vom 03.04.2025 – StB 8/25). Der Haftbefehl erledige sich auch dann, wenn er zuletzt außer Vollzug gesetzt war.
Fortgeltung der Auflagen? BGH fordert Gesetzgeber zum Handeln auf
Allerdings schließt sich die umstrittene Frage nach den Folgen für die Auflagen (§ 116 Abs. 1 StPO) an: Danach, ob diese vom in Freiheit befindlichen Verurteilten noch erfüllt werden müssen, wenn die Verurteilung zu einer Haftstrafe rechtskräftig ist, und ob eine Sicherheitsleistung noch für verfallen erklärt werden kann. Der BGH beanstandet, dass sich die StPO "hierzu jedenfalls nicht in der angesichts der Grundrechtsrelevanz von Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO gebotenen Klarheit" verhält.
Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nehme an, dass die Auflagen isoliert fortgölten, um die Strafvollstreckung zu sichern. Sie stütze sich dafür auf § 123 Abs. 1 Nr. 2 StPO, wonach eine der Aussetzung des Haftvollzugs dienende Maßnahme u.a. aufzuheben ist, wenn die erkannte Freiheitsstrafe vollzogen wird. § 123 Abs. 1 Nr. 2 StPO ordne implizit eine Weitergeltung der Auflagen bis zu einer ausdrücklichen Aufhebung durch das Gericht der letzten Tatsacheninstanz an.
Dem BGH erscheint es aber zweifelhaft, ob diese Regelung eine ausreichende gesetzliche Grundlage für den mit Auflagen verbundenen Grundrechtseingriff hergibt. Unklar sei auch die Zuständigkeit. Es gebe keine gesetzliche Basis dafür, dass diese trotz Urteilsrechtskraft beim Gericht der letzten Tatsacheninstanz liegen soll. Der BGH sieht angesichts eines Regelungsdefizits den Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert.
Im konkreten Fall ließ er die Frage der Weitergeltung der Auflagen offen. Denn eine Umdeutung der Haftbeschwerde in eine Beschwerde gegen die Auflagen komme nicht in Betracht, da eine solche Beschwerde nach § 304 Abs. 4 S. 2 Halbs. 1 StPO nicht statthaft wäre, so der BGH.