Vermutete Benachteiligung wegen des Geschlechts bei höherem Vergleichsentgelt
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Klagt eine Frau auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, begründet der Umstand, dass ihr Entgelt geringer ist als das vom Arbeitgeber mitgeteilte Vergleichsentgelt (Median-Entgelt) der männlichen Vergleichsperson, regelmäßig die widerlegbare Vermutung, dass die Benachteiligung beim Entgelt wegen des Geschlechts erfolgt ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 21.01.2021 entschieden.

Klage auf Entgeltgleichheit

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Abteilungsleiterin beschäftigt. Sie erhielt im August 2018 von der Beklagten eine Auskunft nach §§ 10 ff. EntgTranspG, aus der das Vergleichsentgelt der bei der Beklagten beschäftigten männlichen Abteilungsleiter hervorgeht. Angegeben wurde dieses entsprechend den Vorgaben von § 11 Abs. 3 EntgTranspG als "auf Vollzeitäquivalente hochgerechneter statistischer Median" des durchschnittlichen monatlichen übertariflichen Grundentgelts sowie der übertariflichen Zulage (Median-Entgelte). Das Vergleichsentgelt liegt sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin. Die Klägerin begehrte daraufhin von der Beklagten Zahlung der Differenz zwischen ihrem Grundentgelt sowie ihrer Zulage und der ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelte für die Monate August 2018 bis Januar 2019. 

LAG sah keine ausreichenden Indizien für Benachteiligungsvermutung

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (BeckRS 2019, 22009) änderte das ArbG-Urteil auf die Berufung der Beklagten ab und wies die Klage ab. Es nahm an, es lägen schon keine ausreichenden Indizien im Sinn von § 22 AGG vor, die die Vermutung begründeten, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfahren habe. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.

BAG: Unmittelbare Benachteiligung wegen höheren Vergleichsentgelts 

Die Revision hatte Erfolg. Das BAG hat die LAG-Entscheidung aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die LAG-Begründung trage die Klageabweisung nicht. Aus der von der Beklagten erteilten Auskunft ergebe sich das Vergleichsentgelt der maßgeblichen männlichen Vergleichsperson. Nach den Vorgaben des EntgTranspG liege in der Angabe des Vergleichsentgelts als Median-Entgelt durch einen Arbeitgeber zugleich die Mitteilung der maßgeblichen Vergleichsperson, weil entweder ein konkreter oder ein hypothetischer Beschäftigter des anderen Geschlechts dieses Entgelt für gleiche oder gleichwertige Tätigkeit erhält. Die Klägerin habe gegenüber der ihr von der Beklagten mitgeteilten männlichen Vergleichsperson eine unmittelbare Benachteiligung im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren, denn ihr Entgelt sei geringer als das der Vergleichsperson gezahlte gewesen.

Bei höherem Vergleichsentgelt wird Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet

Entgegen der Annahme des LAG begründe dieser Umstand zugleich die - von der Beklagten widerlegbare - Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung "wegen des Geschlechts" erfahren hat. Aufgrund der bislang vom LAG getroffenen Feststellungen habe nicht entschieden werden können, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast treffe, diese Vermutung den Vorgaben des § 22 AGG in unionsrechtskonformer Auslegung entsprechend widerlegt hat. Zugleich sei den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben.

BAG, Urteil vom 21.01.2021 - 8 AZR 488/19

Redaktion beck-aktuell, 21. Januar 2021.