BAG: Betriebliches Eingliederungsmanagement keine Voraussetzung für Versetzung von Nacht- in Wechselschicht nach Krankheit

Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2017 gilt dies auch in den Fällen, in denen die Anordnung des Arbeitgebers (auch) auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. Im zugrundeliegenden Fall ging es um die Versetzung eines Arbeitnehmers von der Nachtschicht in die Wechselschicht (Az.: 10 AZR 47/17).

Versetzung nach Krankenrückkehrgespräch

Der Kläger ist bei der Beklagten als Maschinenbediener tätig. Seit 1994 leistete er zunächst Wechselschicht (Frühschicht/Spätschicht), seit 2005 wurde er fast ausschließlich in der Nachtschicht eingesetzt. In den Jahren 2013 und 2014 war der Kläger jeweils an 35 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. In der Zeit vom 02.12.2014 bis zum 26.02.2015 war er aufgrund einer suchtbedingten Therapiemaßnahme arbeitsunfähig, danach wurde er wieder in der Nachtschicht beschäftigt. Am 25.03.2015 fand ein sogenanntes Krankenrückkehrgespräch statt, welches von der Beklagten nicht als Maßnahme des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) beabsichtigt und/oder ausgestaltet war. Nach diesem Gespräch ordnete die Beklagte an, dass der Kläger seine Arbeit zukünftig in Wechselschicht zu erbringen habe.

Arbeitgeberin: Dauernachtschicht generell gesundheitlich belastender

Der Kläger ist der Auffassung, die Anordnung sei bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte vor der Maßnahme kein BEM durchgeführt habe. Im Übrigen entspreche sie nicht billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 GewO, 315 BGB; seine Interessen an der Beibehaltung der Nachtschicht seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Beklagte meint, eine Dauernachtschicht sei generell gesundheitlich belastender als jede andere Arbeitszeit. Deshalb habe sie mit der Versetzung prüfen dürfen, ob sich die gesundheitliche Situation des Klägers bei einem Einsatz in der Wechselschicht verbessere. Außerdem sei der Kläger bei Fehlzeiten in der Wechselschicht leichter ersetzbar als in der Nachtschicht. Das Arbeitsgericht hat die auf Beschäftigung in der Nachtschicht gerichtete Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben.

Weisung des Arbeitgebers muss billigem Ermessen entsprechen

Die Revision der Beklagten hatte jetzt vor dem Zehnten Senat des BAG Erfolg. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements im Sinne von § 84 Abs. 2 SGB IX sei keine formelle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung. Dies gelte auch in den Fällen, in denen die Anordnung (auch) auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Weisung des Arbeitgebers insgesamt billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB entspricht. Dabei seien alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Mangels hinreichender Feststellungen des LAG zu diesen Umständen konnte das BAG eigenen Angaben zufolge nicht abschließend entscheiden. Dies habe zur Zurückverweisung der Sache an das LAG geführt.

BAG, Urteil vom 18.10.2017 - 10 AZR 47/17

Redaktion beck-aktuell, 18. Oktober 2017.