Arbeitszeit-Urteil des EuGH: Familienunternehmer warnen vor strikter Umsetzung

Zurück zur Stechuhr? Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland (NZA 2019, 683) wirft viele Fragen auf. Die mittelständischen Familienunternehmer haben jetzt vor einer Eins-zu-eins-Umsetzung gewarnt.

Verband der Familienunternehmer: Urteil nicht zeitgemäß

Peer-Robin Paulus, Leiter Politik und Wirtschaft des Verbands der Familienunternehmer, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: "Das Urteil ist eine Zeitreise in die Vergangenheit. Es passt nicht in die Arbeitswelt von heute. Eine Eins-zu-eins-Umsetzung in deutsches Recht würde alles auf den Kopf stellen, was ein modernes Unternehmen mit seinen Mitarbeitern machen sollte." Die Hauptleidtragenden dabei wären die Arbeitnehmer, deren großes Bedürfnis nach Flexibilität und Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf dadurch behindert würde, so Paulus.

EuGH sieht Arbeitgeber zu systematischer Arbeitszeiterfassung verpflichtet

Nach dem Urteil sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Die Gewerkschaften begrüßten dies als Schutz vor unbezahlten Überstunden und Verfügbarkeit rund um die Uhr. Arbeitgeber warnten dagegen vor neuer Bürokratie.

Behutsame Anpassung nationalen Rechts gefordert

Paulus sagte, der Gesetzgeber müsse nun die Konsequenzen aus dem Urteil für Deutschland prüfen. "Die Familienunternehmer plädieren für eine behutsame Anpassung des nationalen Rechts an diese jüngste EuGH-Rechtsprechung. Dabei sollte jetzt nichts übereilt werden, denn immerhin gibt es keine höchstrichterliche Fristsetzung an die nationalen Gesetzgeber." Der Verband Familienunternehmer repräsentiert nach eigenen Angaben die wirtschaftspolitischen Interessen von rund 180.000 Firmen in Deutschland, die acht Millionen Mitarbeiter beschäftigen.

Altmaier sieht keinen Handlungsbedarf

In der schwarz-roten Bundesregierung gibt es unterschiedliche Auffassungen, welche Auswirkungen das Urteil hat. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht vorerst keinen Handlungsbedarf in Deutschland. Der CDU-Politiker warnte vor zusätzlicher Bürokratie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. "Das Urteil weist in die falsche Richtung", hatte Altmaier am 21.05.2019 gesagt. "Es ist der falsche Weg, die Stechuhr wieder überall einzuführen." Es gebe in Deutschland nach derzeitiger Rechtslage bereits ein umfassendes Dokumentationssystem, mit dem die tägliche Arbeitszeit gemessen werden könne.

Bundesarbeitsministerium wertet Urteil noch aus

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte gesagt, das Ministerium werte das Urteil derzeit sorgfältig aus. Er kündigte Vorschläge in der zweiten Jahreshälfte 2019 an, wie die Rechte von Arbeitnehmern im Lichte des Urteils gesichert werden könnten. Mit Blick auf Altmaier hatte Heil der "Süddeutschen Zeitung" gesagt: "Kein verantwortlicher Minister der Bundesregierung sollte allerdings bestehendes Recht und Gesetz ignorieren."

Redaktion beck-aktuell, 27. Mai 2019 (dpa).