Der Anwalt war seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die nötige Infrastruktur zur Nutzung des beA zu schaffen, und hatte wegen Verletzung seiner Berufspflichten vom AnwG einen Verweis und ein Bußgeld kassiert. Seine per Fax eingelegte Berufung hat der AGH Berlin mangels Formwirksamkeit als unzulässig verworfen (Urteil vom 18.09.2024 - II AGH 14/23). Laut AGH ist im anwaltsgerichtlichen Verfahren § 32d Abs. 2 StPO gemäß § 116 Abs. 2 S. 1 BRAO sinngemäß anzuwenden. Danach müssen Anwälte und Anwältinnen die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln.
Anders hatte das der AGH Nordrhein-Westfalen 2023 gesehen. Nach seiner Ansicht schließt § 37 BRAO die Anwendung von § 32d Abs. 2 StPO im anwaltsgerichtlichen Verfahren aus. § 37 BRAO erlaubt die Abgabe einer Erklärung, für die die BRAO Schriftform verlangt, auch über das beA. Laut AGH Nordrhein-Westfalen lässt diese Regelung dem Anwalt die Wahl und gilt für die gesamte BRAO, also auch für die Einlegung der Berufung, die nach § 143 Abs. 2 BRAO schriftlich eingereicht werden muss.
Eigenständige und abschließende Verfahrensrechtsordnung für anwaltsgerichtliches Verfahren
Dem hält der AGH Berlin vor allem entgegen, dass die BRAO eine eigenständige und abschließende Verfahrensrechtsordnung für das anwaltsgerichtliche Verfahren enthalte, das sich prozessual an das Strafprozessrecht anlehne. Dabei sähen die §§ 117 bis § 161a BRAO besondere Bestimmungen für das Verfahren vor und § 116 Abs. 1 S. 2 BRAO die ergänzende sinngemäße Anwendung der StPO. Selbst wenn man in § 37 BRAO wie der AGH Nordrhein-Westfalen eine Regelung im "Allgemeinen Teil der BRAO" sähe, hätte § 116 Abs. 1 S. 2 BRAO i. V. m. § 32d Abs. 2 StPO daher Vorrang.
Außerdem wäre es laut AGH Berlin mit dem gesetzgeberischen Ziel, den elektronischen Rechtsverkehr umfassend durchzusetzen, unvereinbar, im anwaltsgerichtlichen Verfahren dem Anwalt abweichend von allen anderen Verfahrensrechtsordnungen für seine Rechtsmittel die Wahl zwischen Schriftform und elektronischem Dokument zu lassen. Es "kann nicht ernsthaft erwogen werden", dass der Gesetzgeber gerade für das anwaltsgerichtliche Verfahren, in dem der angeschuldigte Anwalt sowieso ein beA für die elektronische Kommunikation vorhalten müsse (§ 31a BRAO), von einer Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs absehen wolle.
Die Revision hat der AGH Berlin nicht zugelassen. Er sieht die Frage als geklärt an und verweist auf eine nach dem Urteil des AGH Nordrhein-Westfalen ergangene BGH-Entscheidung, in der es um § 55d VwGO i. V. m. § 112c Abs. 1 S. 1 BRAO ging.