AG München: Geldauflage für versuchte Überweisung an in IS-Staat ausgereiste Schwester

Weil sie versucht hat, an ihre im IS-Kriegsgebiet lebende, mit einem IS-Kämpfer verheiratete Schwester Geld zu überweisen, muss eine junge Münchnerin 1.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Dies hat am 12.04.2018 der zuständige Jugendrichter in einem Strafverfahren entschieden, das von der Zentralstelle Extremismus/Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführt wurde. Das Gericht stellte in seinem mittlerweile rechtskräftigen Urteil einen Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot des Außenwirtschaftsgesetzes fest (Az.: 1023 Ds 53 Js 3/17 jug).

Schwester der Verurteilten heiratete IS-Kämpfer

Ihre vier Jahre jüngere Schwester fand nach Angaben der Verurteilten nach einem wiederholten Umzug keine Freunde, bekam Depressionen, radikalisierte sich über das Internet, begann im Gegensatz zur ansonsten westlich orientierten Familie zunächst ein Kopftuch, dann sogar eine Vollverschleierung zu tragen, bis sie schließlich Anfang 2015 in das syrisch-irakische IS-Kriegsgebiet ausreiste, wo sie nach islamischem Ritus einen ebenfalls aus Deutschland stammenden IS-Soldaten heiratete, dem sie den Haushalt führte und von dem sie zwei Mal schwanger wurde.

Verurteilte wollte radikalisierter Schwester Geld überweisen

In der zweiten Jahreshälfte 2015 bat die Schwester die Verurteilte, eine zur Tatzeit 20jährige zahnmedizinische Angestellte aus München, mittels Whatsapp um 800 USD für Miete, Wohnung streichen, Kampfsachen für den Mann und Unterhalt für die Schwester, wenn der Mann für drei Monate zum Kämpfen gehe. Auf drängendere Bitten, dass nun kein Geld mehr da sei und der Mann nun für einen Monat in den Kampf ziehe, brachte die Verurteilte trotz finanzieller Probleme Mitte November 2015 400 Euro auf, die sie an einen von ihrer Schwester benannten Mittelsmann anweisen sollte. Aus Angst vor polizeilicher Beobachtung und im Bewusstsein, sich mit einer solchen Zahlung strafbar zu machen, bat die Verurteilte schließlich eine Freundin, die Überweisung des ihr dazu übergebenen Geldes zu veranlassen. Die Freundin wurde nicht in die Hintergründe eingeweiht. Da der Empfänger in der Datenbank der beauftragten Bank bereits für Transaktionen gesperrt war, kam das Geld nicht bei ihm an, sondern wurde zurückgebucht. Der Verurteilten war bewusst, dass ihre Zahlung zumindest mittelbar dem IS zugutekommen würde.

Verurteilte geständig

Die Verurteilte räumte die Tat unumwunden ein. Sie führte aus, sie habe ihrer Schwester helfen wollen, habe Schuld für das Weggehen der Schwester bei sich selbst gesehen, habe ein totales Versagergefühl gehabt. Man hätte das mit dem Kopftuch und dem Verschleiern mehr hinterfragen müssen. Sie sei nach dem Vorfall auch länger krank geworden.

Jugendstrafrecht anzuwenden

Der zuständige Jugendrichter am AG München ging davon aus, dass die damals wie heute stark in den Familienverbund eingebundene und seinerzeit noch in Ausbildung befindliche Verurteilte bei Tatbegehung einer Jugendlichen gleichstand, so dass Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen müsse.

Geldauflage von 1.000 Euro ausreichend

Zugunsten der Angeklagten wertete das AG, dass diese nicht vorgeahndet ist und die Tat nun mittlerweile zweieinhalb Jahre zurückliegt. Die Angeklagte habe zudem im Hinblick auf den Umstand, dass ein Teil des zu überweisenden Geldes auch dem Kampf des IS zugute kommen sollte, nur mit bedingten Vorsatz gehandelt. Auch der Umstand, dass die Angeklagte zunächst dem Verlangen ihrer Schwester, ihr Geld zu überweisen, nicht nachkam, sei zugunsten der Angeklagten zu berücksichtigen. Gleiches gelte für den Umstand, dass die Familie insgesamt durch die Zuwendung der Schwester zum Islamischen Staat sehr stark belastet ist. Unter diesen Umständen hielt es das AG für erzieherisch ausreichend, aber auch geboten, die Angeklagte anzuweisen, eine Geldauflage in Höhe 1.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu bezahlen.

Bloßer Versuch nicht als Unterstützung terroristischer Vereinigung im Ausland strafbar

Ergänzend führt das AG München aus, dass der Tatbestand der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland den Versuch nicht unter Strafe stellt. Eine Strafverfolgung sei vorliegend nur deshalb möglich gewesen, weil der IS auf einer Sanktionsliste der EU gelistet ist, somit ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgelegen habe und das Außenwirtschaftsgesetz auch den Versuch unter Strafe stelle.

Redaktion beck-aktuell, 18. Juni 2018.